Auch für Pendler ist die Grenze nun zu. Übergang in Böhmisch Zinnwald (Cínovec). Foto: ČTK/Hájek Vojtěch

Seit heute gilt ein fast komplettes Verbot, von und nach Tschechien über die Grenze zur Arbeit zu pendeln. Das trifft die Firmen mit tschechischen Mitarbeitern hart. Die Pendler werden vom tschechischen Staat allein gelassen. Die Folgen sind unabsehbar.

Roman Kotecký* ist verunsichert, weshalb er seinen richtigen Namen auch nicht in der Zeitung lesen will. „Ich bin seit Montag krank geschrieben zu Hause bei Tetschen (Děčín), der Rücken“, sagt er. „Deshalb weiß ich noch gar nicht, wie es mit mir weitergeht.“ Wenn er am Freitag wieder gesund ist und auf Arbeit zur Baufirma ins sächsische Pirna fährt, muss er einen großen Koffer packen. Denn wie bisher nach der Schicht wieder heimfahren zu Frau und zwei Kindern ist dann nicht mehr möglich. Die tschechische Regierung hat seit Donnerstag auch die Grenze für Berufspendler geschlossen. Wer im Ausland arbeitet, muss dort nun für mindestens drei Wochen bleiben. Nach Rückkehr aus Deutschland wartet eine 14-tägige Quarantäne. Lediglich für Personal in medizinischen und sozialen Berufen sowie im Rettungsdienst wurde das Pendelverbot im letzten Moment wieder ausgesetzt.

„Unser Arbeitgeber soll uns wohl eine Unterkunft besorgt haben. Die ist aber über eine Stunde weg vom Bauhof, sagte ein Kollege. Und wie die Firma unsere 14-tägige Quarantäne wegsteckt, ist mir auch noch nicht klar“, so Kotecký weiter.

So wie Bauarbeiter Kotecký geht es jetzt vielen der rund 37.000 Einpendler aus Tschechien nach Deutschland. Weitere 12.000 Menschen pendeln nach Österreich. Sie müssen entscheiden, ob sie ihre Familie allein lassen, noch die Miete für eine zweite Wohnung stemmen oder im Ernstfall sogar ihren Job aufgeben müssen. „Nach langem Hin und Her haben mein Partner und ich uns nun doch entschieden, zu Hause zu bleiben“, sagt Zuzana Petersenová aus Teplitz (Teplice). Sie arbeitet seit acht Jahren für einen Gebäudereiniger in Dresden, der Schulen und die Universität säubert. Erleichtert wurde ihre Entscheidung durch die Zusage des Arbeitgebers, ihr Kurzarbeitsgeld zu zahlen und ihren Arbeitsplatz bis zu einem Jahr für sie frei zu halten.

Grundversorgung gefährdet

Doch dieses Glück haben nicht alle. Und nicht jede Firma kann von heute auf morgen auf ihre Mitarbeiter verzichten. In einigen Branchen wie der Gebäudereinigung, medizinischen Versorgung und Hotels und Gastronomie, aber auch der Logistik und dem Großhandel stellen Tschechinnen und Tschechen streckenweise schon über die Hälfte der Belegschaft. Während mit Krankenhäusern und Arztpraxen eine Grundversorgung erst einmal gesichert ist, droht in einer anderen, der Lebensmittelversorgung (Großhandel) ein herber Personalausfall.

„Auch tschechische Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, da sie genauso in die Sozialkassen eingezahlt haben“, fordert Markus Schlimbach, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Sachsen. Für ihn offenbart die Entscheidung, die Grenzen auch für Pendler zu schließen, ein „kopfloses Agieren der tschechischen Regierung. Wenn Pendler jetzt in irgendwelchen Unterkünften unterkommen, ist die Ansteckungsgefahr viel höher“, sagt er. Es sei ein Skandal, wie schnell jetzt Grenzen dicht gemacht werden können. „Die europäische Freizügigkeit bleibt auf der Strecke“, klagt Schlimbach, der es als „Gipfel der Scheinheiligkeit“ bezeichnet, dass Polen und Slowaken weiter nach Tschechien pendeln dürfen.

Angriff auf Freizügigkeit

Für Arbeitgeber wie Beschäftigte sind die Folgen der Grenzschließung nicht absehbar. „Was ist mit der 14-tägigen Quarantäne? Greift das Infektionsschutzgesetz, über das Arbeitnehmer entschädigt werden? Derzeit liegt das Risiko des Arbeitsweges beim Pendler. In Zukunft muss hier noch viel nachgearbeitet werden, um das im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsmarktes klar zu regeln“, fordert Schlimbach.

Von der neuen Regelung betroffen sind übrigens auch rund 600 deutschen Auspendler nach Tschechien. Auch für sie gilt, dass sie mindestens drei Wochen in Tschechien bleiben müssen. „Nach der Rückkehr nach Deutschland können wir zwar keine Quarantäne verlangen. Aber sie dürfen ebenfalls erst nach 14 Tagen wieder nach Tschechien einreisen“, sagt ein Sprecher des tschechischen Innenministeriums. Gänzlich von Einschränkungen befreit bleiben Personen, die im internationalen Güterverkehr tätig sind.

Maßnahmen in Deutschland zu lasch

Hintergrund für die Verschärfung sind Befürchtungen, Pendler könnten das Coronavirus nach Tschechien einschleppen. Das ist zwar durch Zahlen nicht belegt. Von den 1350 bestätigten Infizierten haben sich lediglich 17 in Deutschland angesteckt. Aus Österreich sind es 96. Drei Viertel der Corona-Fälle wurden allerdings in Tschechien infiziert. Doch die tschechische Regierung hält die Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus in Deutschland weiterhin für zu lasch. Besonders, dass Menschen in Deutschland nicht zum Tragen von Mundschutz verpflichtet sind, ist den tschechischen Behörden ein Dorn im Auge und war einer der Hauptgründe, warum die Pendler-Ausnahme abgeschafft wurde.

In einem Punkt hat die tschechische Regierung die Bestimmungen für Pendler sogar gelockert. In Zukunft kann wegen der Arbeit auch an Ziele außerhalb der geltenden 100-km-Zone nach Tschechien eingereist bzw. aus Tschechien ausgereist werden. Das kommt Personen zugute, die nicht nur im Grenzgebiet pendeln. Die Ein- und Ausreise ist jedoch nur über die Grenzübergänge möglich, die 24 Stunden geöffnet sind. Auch für diese Personen gilt, dass sie mindestens drei Wochen im Gastland bleiben müssen und danach eine 14-tägige Quarantäne ansteht.

*Name ist der Redaktion bekannt

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