Zum zweiten Advent haben wir eine berührende Weihnachtsgeschichte aus alten Tagen für Sie. Unter dem Text finden Sie auch das dazugehörige Rezept.

Der kleine Julius hatte sehr früh seine Mutter verloren. Dann traf es auch den Vater sehr hart. Er hatte einen Unfall erlitten und konnte nicht mehr arbeiten. Ein Glück, dass die großen Kinder schon aus dem Haus waren. Aber was sollte mit dem Kleinsten, mit Julius, geschehen? Sein Vater war zwar zeitlebens ein ehrlicher, arbeitsamer, rechtschaffener Mann gewesen, der überall zugriff und auch anderen Menschen half. So fand er dann doch noch einen Tischlermeister, der den damals zwölfjährigen Jungen als Lehrling aufnahm. Kost und Logis waren auch dabei. Dem Vater fiel ein großer Stein vom Herzen und bald darauf legte er sich zur ewigen Ruhe.

Damals musste ein Lehrjunge, so nannte man sie seinerzeit, genauso wie ein Meister und ein Geselle zehn oder zwölf Stunden am Tag arbeiten. Danach musste er noch die Werkstatt aufräumen und der Frau Meisterin zur Hand gehen. Er musste den Waschkessel mit Wasserfüllen und anheizen, Holz herschleppen, einkaufen gehen und auch mal das Jüngste der Meisterin wiegen und so manches mehr. Das waren aber die Lehrjungen zu dieser Zeit gewohnt und für sie galt der Spruch: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“

Seine kalte Dachkammer musste er noch mit zwei anderen Lehrjungen teilen. Die standen aber schon hoher in der Hierarchie, da sie schon länger lernten. Siebrauchten auch der Meisterin weniger helfen. Natürlich bekam er täglich Essen. Es gab hauptsächlich Suppe, Erdäpfel, Brot und Kaffee. So ein angehender Tischler hätte natürlich eine kräftige Kost gebraucht, vor allem Fleisch. Aber erkannte ja nichts anderes und er war immer zufrieden, wenn das Bäuchlein voll war.

Nun stand Weihnachten vor der Tür, zwei Tage sollten frei sein. Am Heiligen Abend gab die Meisterin jedem Lehrjungen ein Christbrotl. Gleichzeitig erteilte sie den Auftrag, das Brotl am nächsten Morgen zum Kaffeetrinken mitzubringen. Julius strahlte, Noch nie hatte er ein ganzes Brot für sich allein besessen. Es war so schön rund und glatt. Und gerochen hat es. War das schön!

Lange, lange konnte er nicht einschlafen. Das Brot lag neben seinem Bett und der Geruch, nein, er meinte, dazu sagte man Duft, stieg hoch und zog verführerisch in seine Nase. Wie mag das nur schmecken? So etwas hatte er noch nie gegessen. Da fing ein großer Kampf an. Nur einmal, ein einziges Mal hineinbeißen. Nein, morgen früh muss er es doch zum Kaffeetrinken mitbringen. Aber es lockte immer und immer wieder. Er horchte. Ja, die anderen schliefen, sie atmeten ganz ruhig und gleichmäßig. Da hielt ihn nichts mehr, er griff nach dem Brot und biss hinein. Ja, war er denn im Schlaraffenland? So etwas Herrliches, so süß und so weich. Mein Gott, wie herrlich schmeckte das! Er konnte nicht widerstehen und bisswieder und wieder hinein. Dann legte er sich beiseite und schlief rasch ein. Erträumte von seinem Brot, es wurde immer mehr, es war schon ein ganzer Berg Brote, die da lagen. Aber plötzlich wurde er munter. So etwas passierte doch sonst nicht, so ein Lehrjunge war doch abends müde und schlief tief und fest. Und wie-der roch das Brotl. Er nahm nochmal seinen Mund voll und schlief wieder ein. In der Früh wurde er erst munter, als ihn seine Kameraden weckten. Gleich sah er nach seinem Brotl. Das sah ja gerade so aus, als ob die Mäuse daran geknabbert hätten. Und er musste es doch hinunterbringen. In seiner Not schnitt er die Bissstelle ab und hatte fast nur noch ein halbes Brot. Damit ging er in die Küche. Die anderen saßen schon beim Tisch, natürlich mit dem ganzen Brot, und warteten auf ihn. Man fragte ihn, warum er denn nur ein Ranftl und nicht das ganze Brot mitbringt. „lch esse ja nicht mehr“, sagte er. Aber als er den Mund aufmachte, verriet er sich. In dem Brot war Mohn und einige Körner hatten sich an seinen Zähnen festgesetzt. Nun nahmen ihn die anderen Jungen in die Mangel und ärgerten ihn nach Strich und Faden. Sie forderten ihn auf, das ganze Brot zu bringen. Je länger sie ihn drängten, desto verlegener wurde er. Er dachte daran, wie gut es geschmeckt hatte, und jetzt musste er es büßen! Anstrengen musst er sich, dass er nicht weinte. So etwas darf doch ein Junge nicht! Aber was machen in der Not? Die anderen foppten ihn weiter.

Da kam ihm die Meisterin zu Hilfe. Sie sagte sehr freundlich zu ihm: „Hol nur dein Brot, es ist schon in Ordnung.“ Da ging er schweren Herzens in die Kammer. Ganz beschämt kam er zurück. in der Hand hielt er eine größere Scheibe, die auf des restliche Brotl passte, doch auf der anderen Seite war sie ausgezackt. Die Jungen lachten: „Du hast wohl heute Nacht die Mäuse gefüttert?“ foppten sie ihn. Doch die Meisterin sagte ganz energisch „Ruhe”. Danach sagte sie zu ihm: „Hat es dir geschmeckt?“ Er konnte nur nicken. Darauf sagte die Meisterin: „Hast wohl noch nie so etwas gegessen?“ Und wieder konnte er nur nicken. Da schnitt die Meisterin ihr eigenes Brotl in zwei Teile und sagte: „So, jetzt hast du auch ein ganzes Brotl.“ Nun kamen dem armen Kerl wirklich die Tränen. Die anderen aber widmeten sich ihrem Brotl und taten so, als wenn nichts gewesen wäre. Nun war es für den armen, kleinen Lehrling richtig Weihnachten.

Aus dem kleinen Lehrjungen Julius ist später ein tüchtiger Tischlermeister und sogar ein Bürgermeister geworden. Er hat oft an sein erstes Christbrotl denken müssen. Deswegen hat er streng darauf geachtet, dass seine Frau Meisterin jedes Jahr zu Weihnachten seinen Lehrjungen und Gehilfen ein schönes, rundes Christbrotl, das auch gut duften musste, schenkte. Meister Julius überwachte die Übergabe und strahlte. Dann erst begann für ihn das Weihnachtsfest.

Von Roswitha Seeliger (†2014)


Christbrot. Foto: Urd Rothe-SeeligerChristbrot

Zutaten:

1 kg Mehl
250 g Zucker
250 g Butter
1 Würfel (42 g) Hefe
20 g Salz
2 Stamper Rum
Ca. ½ l Milch
200 g Rosinen
200 g süße Mandeln gestiftelt
25 g bittere Mandeln
50 g Zitronat

Zubereitung:

  • Mehl in eine Rührschüssel geben und in die Mitte eine faustgroße Vertiefung eindrücken.
  • Hefe zerbröckeln, in die Vertiefung geben und mit Mehl bedecken.
  • Zucker, Butter (in kleinen Brocken), Salz und Rum zugeben.
  • Die Hälfte der Milch dazu gießen.
  • Mit dem Knethaken eines Handrührers oder in der Küchenmaschine alle Zutaten zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten. Nach Bedarf die restliche Milch dazu gießen.
  • Den Teig in der Schüssel lassen. Mit einem Tuch abdecken und gehen lassen.
  • Auf dem Backbrett den Teig mit den Händen durchwalken und dabei die Rosinen, Mandeln und das Zitronat einarbeiten.
  • Den Teig zu einem Brot formen, auf das Backbleich legen, mit einem Tuch abdecken und gehen lassen. In der Zwischenzeit den Backofen vorheizen (1800).
  • Tuch abnehmen und das Christbrot 45 – 55 Minuten backen.

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