Gesundheitsminister Adam Vojtěch und Premierminister Andrej Babiš (v.l.) auf einer Pressekonferenz am 10. März. Foto: ČTK/ Šulová Kateřina

Ab 1. September gilt in Tschechien wieder eine Maskenpflicht. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung zu Beginn der letzten Woche ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aber hauptsächlich nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln verpflichtend. Nach einem Treffen mit Premierminister Andrej Babiš nahm Gesundheitsminister Adam Vojtěch einen Teil der Maßnahmen wieder zurück.

„Das gefällt mir überhaupt nicht“, äußerte sich Premierminister Andrej Babiš (ANO) am vergangenen Mittwoch überraschend und meinte damit die umfassende Maskenpflicht ab 1. September, die das tschechische Gesundheitsministerium am Montag letzter Woche angekündigt und zwei Tage später sogar noch verschärft hatte. „Die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und in medizinischen Einrichtungen ist verständlich, aber dann sind da einige Dinge, über die wir nochmal sprechen müssen“, drückte sich Babiš aus. Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos, für ANO) und sein Team erhielten schließlich eine Vorladung zum Premierminister, woraufhin Vojtěch zurückruderte und einen Teil der Maßnahmen wieder zurücknahm.

Die Maskenpflicht wird ab September demnach nur im ÖPNV, in Behörden, Postfilialen sowie medizinischen und sozialen Einrichtungen gelten. Auch bei den kommenden Kommunalwahlen im Oktober wird es in den Wahllokalen eine Maskenpflicht geben. Entgegen der vorherigen Ankündigung wird das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Supermärkten, Schulen und etwa beim Frisör aber nur dann verpflichtend sein, wenn die epidemiologische Situation das auf lokaler Ebene nötig machen sollte. Dies solle dann der Fall sein, wenn die Corona-Ampel in den jeweiligen Regionen auf die zweite Risikostufe mit orangener Farbe springt, so Vojtěch. Deren nächste Aktualisierung ist für kommenden Freitag geplant.

„Wir haben uns heute ausgesprochen und sind zu einer gemeinsamen Auffassung gekommen. Ich denke, dass die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen verständlich ist. Ich habe auch die Meinungen der Leute wahrgenommen, die mir geschrieben haben, und natürlich nutze ich den gesunden Menschenverstand“, sagte Babiš am vergangenen Donnerstag im tschechischen Fernsehen. Nach seiner Darstellung sei Vojtěchs Verkündung einer umfassenden Maskenpflicht auf ein Missverständnis in der Kommunikation zurückgegangen.

Scharfe Kritik der Opposition

Das Vorgehen der Regierung bei der Kommunikation der Maskenpflicht zog indes scharfe Kritik seitens der Opposition nach sich. „Minister Vojtěch ändert die Maßnahmen, die er am Montag und Mittwoch noch mit großem Stolz auf Pressekonferenzen verkündete. Das zeigt, dass die Regierung keinen Plan hat und nicht in der Lage war, auf die Vorschläge einzugehen, die wir ihnen auf dem Silbertablett serviert hatten“, schrieb Ivan Bartoš, Parteivorsitzender der Piraten, auf Twitter. Auch der Parteivorsitzende der Bürgerdemokraten (ODS), Petr Fiala, echauffierte sich: „Andrej Babiš und Adam Vojtěch sollten endlich aufhören, die Leute verrückt zu machen. Oder testen sie, was die Öffentlichkeit alles aushält? Niemand weiß, was eigentlich gilt.“

Änderung der Quarantäneregeln

Weitere Änderungen ab dem 1. September betreffen die Quarantäneregeln, bzw. die Dauer der Quarantäne. Reisende, die aus Risikogebieten, wie etwa Spanien, nach Tschechien zurückkehren, müssen sich nach der Einreise auf das Coronavirus testen lassen oder sich in häusliche Quarantäne begeben. Dies gilt auch für Personen, die Kontakt zu Infizierten hatten. Ab dem 1. September wird die Quarantänezeit statt 14 aber nur noch zehn Tage betragen, verkündete Gesundheitsminister Vojtěch am Montag. Zuvor hatte die tschechische Chefhygienikerin, Jarmila Rážová, diese Änderung bereits für den 24. August angekündigt. „Wir haben beschlossen, das Datum zu vereinheitlichen“, begründete Vojtěch.

Rekordanstieg der Neuinfektionen

Seit einigen Wochen befindet sich der tägliche Zuwachs an Neuinfektionen auf einem vergleichsweise hohen Niveau und bewegte sich zuletzt um die Marke von 300 Fällen. Für vergangenen Freitag meldete das tschechische Gesundheitsministerium den Rekordwert von 506 Neuinfektionen, was den bisherigen Höchstwert von 377 Fällen am 28. März deutlich übertraf. Die Leiterin der tschechischen Gesundheitsämter, Jarmila Rážová, erklärte den hohen Zuwachs mit einem verstärkten Testgeschehen – so wurden am vergangenen Freitag insgesamt 8272 Tests durchgeführt – und einer der Ferienzeit geschuldeten geringeren Wachsamkeit bei den Bürgern, etwa bei Firmen- oder Familienfeiern. Laut Roman Prymula, Epidemiologe und stellvertretender Gesundheitsminister, könne man aber nicht davon sprechen, dass im Moment massiv getestet würde. „Wir testen ähnlich wie in den Frühlingsmonaten. Derzeit ist die Anzahl der Tests bei um die 8200 natürlich höher als in den vergangenen Wochen, aber auch die Trefferquote ist höher.“, kommentierte er.

Gleichzeitig beruhigte Prymula aber: „Wir befinden uns jetzt in einer Situation, in der wir wissen, wie hoch die Kapazitäten sind. Es gibt deutlich weniger Menschen, die eine Intensivpflege und dergleichen benötigen. Dies bedeutet, dass eine solche Grenze, zu der wir noch in der Lage sind, Einzelfälle effektiv zu verfolgen, heute zwischen 750 und 1000 Fällen pro Tag liegt. Nach dieser Grenze kann es problematisch werden.“ Aktuell werden 116 Personen in tschechischen Krankenhäusern aufgrund einer Covid-19-Erkrankung behandelt.

Die meisten Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen kommen den Angaben des Gesundheitsministeriums zufolge aus dem Kreis Kolin (Kolín) mit etwa 39 Infektionen auf 100.000 Einwohner, gefolgt von der Hauptstadt Prag (33/100.000) und dem Kreis Saar (Žďár nad Sázavou) (30/100.000). Nur die Kreise Rokitzan (Rokycany) und Wsetin (Vsetín) sind ohne Neuinfektionen.

Insgesamt haben sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie 22.181 Menschen in Tschechien mit dem Virus infiziert, bei 5.396 Personen ist die Infektion derzeit aktiv. Bislang 415 Menschen sind hierzulande infolge einer Covid-19-Erkrankung verstorben (Stand: 24.08.2020).

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