Das neue Corona-Warnsystem "PES" ("Hund") besteht auf fünf Stufen. Aktuell befindet sich Tschechien in der vierten Stufe. Foto: Ministerstvo zdravotnictví České republiky

++ Neues Modell regelt Corona-Lockerungen ++ Deutschland ist Risikogebiet ++ Reproduktionszahl unter 1

Am Freitag stellte der tschechische Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos, für ANO) ein Modell vor, das die bisherige innertschechische Corona-Ampel ersetzt und Bedingungen zur Lockerung der Corona-Maßnahmen aufstellt. Aus fünf statt bisher vier Stufen – von grün bis lila – besteht das neue Pandemie-Warnsystem (Protiepidemický systém: „PES“, zu Deutsch: „Hund“), das regeln soll, unter welchen Bedingungen welche Corona-Maßnahmen gelockert oder falls nötig verschärft werden sollen. Dazu errechnen Experten aus verschiedenen Faktoren täglich einen Score zwischen null und einhundert, der dann einer bestimmten Warnstufe entspricht. Das Modell zeigt eine Warnstufe für ganz Tschechien, aber auch auf regionaler Ebene solle eine Einstufung erfolgen. Laut Gesundheitsminister Jan Blatný erfülle Tschechien seit Mittwoch die Bedingungen für ein Infektionsrisiko entsprechend der Stufe 4 (rot), aktuell gilt aber noch die höchste Stufe (lila). Ab dem kommenden Montag soll das Modell mit den aktuellen Daten auf der Webseite des tschechischen Gesundheitssystems veröffentlicht werden.

„Wenn wir wissen, dass wir uns seit diesem Mittwoch auf Stufe 4 bewegen, können wir, wenn diese Stufe bis Mittwoch nächster Woche gehalten werden kann, über eine Lockerung ab dem darauffolgenden Montag entscheiden“, erläuterte Blatný, wie seine Abteilung mit dem Index arbeiten wird. Der Wechsel in eine niedrigere Stufe erfolgt nicht automatisch, sondern erst, wenn der Score sich über einen Zeitraum von einer Woche stabilisiert hat. Blatný machte außerdem deutlich, dass das vorgestellte Warnsystem nur dann Sinn ergebe, wenn der nationale Notstand aufrechterhalten bleibt. Dieser würde eigentlich am 20. November enden, die Regierung möchte ihn um weitere 30 Tage verlängern. Abschließend muss in der kommenden Woche das tschechische Parlament darüber entscheiden, eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Ohne den Notstand hätten die Maßnahmen lediglich Empfehlungscharakter, so Blatný.

Zu den Faktoren, die den Score des Warnsystems bestimmen, gehören u.a. die 14-Tage-Inzidenz, also wie viele Personen pro 100.000 Einwohner sich in den letzten 14 Tagen mit dem Coronavirus infiziert haben, die Infektionsrate unter Senioren, die Reproduktionszahl und die Positiven-Rate (Anteil positiver Tests an Gesamtzahl der durchgeführten Tests).

Welche Lockerungen kommen zuerst?

Teil des Warnsystems ist außerdem eine Übersichtstabelle, welche Maßnahmen in welcher Stufe gelten sollen. Sollte sich die epidemiologische Situation weiter stabilisieren, könnte Tschechien demnächst von der fünften (lila) in die vierte Warnstufe (rot) wechseln. Dann würden Grundschulen für Kinder bis zur fünften Klasse wieder öffnen und die nächtliche Ausgangssperre würde erst ab 23 Uhr statt 21 Uhr gelten. Erst in der dritten Warnstufe (orange) könnten Geschäfte sowie Restaurants und Bars unter Einhaltung bestimmter Hygieneregeln wieder öffnen. Was Kultur angeht, so müssten Theater und Kinos auch in der dritten Stufe weiter geschlossen bleiben, Museen und Galerien könnten allerdings mit maximal 25 Prozent ihrer Besucherkapazitäten öffnen. Die vollständige Tabelle ist hier einsehbar (auf Tschechisch).

Unternehmerverbände in Tschechien kritisierten den Lockerungsplan des Gesundheitsministeriums. So könnte das vorgestellte System laut dem Präsidenten der Tschechischen Handelskammer, Vladimir Dlohý, das Funktionieren ganzer Wirtschaftssektoren für viele weitere Monate beeinträchtigen, weil die Maßnahmen auch nach eventuellen Lockerungen noch relativ streng seien. Ab Stufe 3 wird z. B. die zulässige Auslastung in Geschäften auf eine Person pro 15 Quadratmeter begrenzt. Diese Regelung würde dazu führen, dass sich vor Geschäften lange Schlangen bilden, so der Präsident der Handels- und Tourismusverbands Tomáš Prouza.

Deutschland ab Montag Risikogebiet

Ab Montag ist Deutschland – genauso wie Schweden und Zypern – aus tschechischer Sicht Corona-Risikogebiet und bekommt in der tschechischen Corona-Reiseampel die rote Farbe. Damit ist die Einreise nach Tschechien aus Deutschland nur mit einem negativen Coronatest möglich. Außerdem muss ein Einreiseformular ausgefüllt werden:https://plf.uzis.cz/. Das teilte am Freitag der tschechische Außenminister Tomáš Petříček (ČSSD) mit. Ausnahmen gelten weiterhin für Pendler, auch der kleine Grenzverkehr, etwa zum Tanken oder Einkaufen im Nachbarland, soll weiter bis zu 12 Stunden auch ohne Test möglich sein. Ab Dienstag könnte er auf 24 Stunden ausgedehnt und damit an Regelungen in Sachsen und Bayern angeglichen werden. Darüber müsse aber am Montag noch die tschechische Regierung entscheiden, so Petříček weiter.

Reproduktionszahl unter 1

Die Geschwindigkeit, mit der sich das Coronavirus in Tschechien ausbreitet, hat sich in den vergangenen Tagen verlangsamt. Am Donnerstag wurden 7.874 Menschen positiv getestet, das waren etwa 1.000 weniger als am Vortag und mehr als 5.000 weniger als am Donnerstag in der Vorwoche. In dieser Woche ist auch die Reproduktionszahl unter den kritischen Wert von 1 gefallen und liegt derzeit zwischen 0,7 und 0,8. Das heißt, dass 10 Infizierte nur noch 8 weitere Personen anstecken, damit verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus. Nach wie vor auf einem hohen Niveau ist allerdings die Zahl der in Krankenhäusern behandelten COVID-19-Fälle. Am Freitag lagen 7.564 Menschen wegen Corona im Krankenhaus, davon nimmt die Erkrankung bei 1.120 Personen einen schweren Verlauf. Die Zahl der Corona-Toten bewegt sich inzwischen auf 6.000 zu, aktuell beklagt Tschechien 5.755 Menschen, die im Zusammenhang mit COVID-19 verstorben sind.

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