Illustration: Sudetistanische Industrielandschaft - Bild: LE/Jiří Bernard

„Sie haben gut reden, wenn Sie nicht im Schacht schaffen!“ tönt es lakonisch durch das Mekka der Bodenständigkeit, den Kreis Aussig. Es ist das Mantra der Kohlenkumpels, das wie Familiensilber von Generation an Generation weitervererbt wird. Noch schlimmer ist: Das wird auch so weitergehen.

Der Norden Böhmens hat einen überdurchschnittlich breiten Bezug zum Kohleabbau. Der gab im 19. Jahrhundert auch den unteren Schichten Arbeit und verhalf der Region am Fuße des Erzgebirges zu industrieller Blüte. Die Jagd nach der Kohle hatte damals aber noch nicht den massenhaften Raubbau zur Folge, den wir heute so gut kennen. Ok, zugegeben, es wäre damals auch nicht anders gewesen, wenn man zum Abbau nicht nur auf Hände und Pferde angewiesen gewesen wäre. Aber auch so war der Kohleabbau nicht unproblematisch. Nur ging es damals weniger um den Umweltschutz, sondern um die Proletarisierung und Faschisierung der Region – Aspekte, die bis heute ihre Spuren hinterlassen.

Über den Einfluss des Kohleabbaus und der Stromerzeugung in Heizkraftwerken im Sozialismus, ist jede Debatte überflüssig. Wichtiger war es, billigen Strom herzustellen, die Interessen der Bewohner von Brüx (Most) oder Hrdlovky (Herrlich) und anderen zerstörten Gemeinden mussten weichen.

Ein grundlegendes Problem bleibt natürlich, dass die Kommunisten es (Gottseidank) nicht schafften, die gesamte Region zu einem einzigen großen Kohlefördergebiet zu machen. An Rekultivierung dachten sie allerdings nicht, in ihren Gedankengängen war das ein Prozess, der lange nach ihnen stattfinden würde. So hatte sich der Bergbau merkwürdigerweise über ganz Nordböhmen ausgespreizt, wobei nicht klar war, welches Schicksal ihn ereilen würde.

Die tschechische Regierung unter Petr Pithart beschloss 1991 salomonisch, dass der Kohleabbau zwar weitergehen würde, aber nicht unbegrenzt, sondern im Kontext festgesetzter Förderlimits. Ich persönlich glaube ja, dieser Schritt war ursprünglich als final gedacht und keinesfalls zu einer erneuten Revision bestimmt. Die Abkehr von der Kohle war ein logischer zukünftiger Schritt. Schon damals war vielen klar, dass die verelendete Region nicht dadurch gerettet werden würde, indem man Gestein aus ihrer Erde reißt. Besonders wenn gerade die Fixierung darauf das Elend zu einem gewissen Grad begründet hat.

Leider ist diese Botschaft weder bei Bergleuten, Betreibergesellschaften noch bei den Regierungen, die Pithart folgten, angekommen. Die ganze Situation erweckt irgendwie das Bild einer verschuldeten Familie, die zwar weiß, dass sie ihren Lebensstil ändern müsste, aber anstelle den Gürtel enger zu schnallen das Problem lieber schnell mit einem weiteren Wucherkredit löst.

Vor 25 Jahren haben wir die historische Chance verpasst, uns vom Bergbau abzuwenden. Die Erträge daraus fließen, sollten zweckgebunden in die Rekultivierung gesteckt werden. Die Regierung sollte Investoren außerhalb des Dunstkreises der Kohle finden, das Schulwesen reformieren, indem man es mehr auf den nahen deutschen Markt orientiert, und sich darauf vorbereiten, das Unabwendbare zu akzeptieren. Das sind zwar Aufgaben kolossalen Ausmaßes. Aber diese Herausforderungen, die mit dem Abbau seit dessen Beginn verbunden, schiebt die Gesellschaft genauso lange vor sich her. Dabei ist es notwendig, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Vor kurzem verschob die Regierung die Lösung des Problems namens Region Aussig auf weitere Generationen. Wieder ist uns eine Chance zwischen den Fingern zerronnen. Nordböhmen wird in den kommenden 30 Jahren weiter eine Region der Kohle bleiben.

Dominik Feris Kolumne „Im wilden Sudetistan“ finden Sie jeden Monat exklusiv im LandesEcho und auf landesecho.cz . Dieses Feuilleton erschien im LandesEcho 5/2016. Der Autor (19) ist nordböhmischer Patriot und Stadtrat in Teplice (Teplitz-Schönau). Er studiert Jura an der Prager Karlsuniversität.

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