Als Ústí noch Aussig war: Ein Elbedampfer schipperte 1910 vor Burg Schreckenstein vorbei. Im Museum der Deutschen sollen künftig auch Aufnahmen wie diese vom Leben der Sudetendeutschen vor der Vertreibung erinnern. Foto: Stadtmuseum Aussig (Ústí nad Labem)

Nach jahrelanger Verzögerung könnte die Aussiger Dauerausstellung über die Geschichte und Kultur der Deutschen in den böhmischen Kronländern schon in diesem Oktober eröffnen.

Petr Koura ist eine stattliche Gestalt. Den 1,90-Mann wirft so schnell nichts um. Doch nun räumt er ein, dass ihm vor einigen Tagen eine zentnerschwere Last von den breiten Schultern fiel. Die geplante Dauerausstellung im nordböhmischen Aussig (Ústí nad Labem) über die Geschichte und Kultur der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien, die der Direktor des Collegium Bohemicum verantwortet, ist ihrer Eröffnung einen großen Schritt näher gekommen. „Wir werden den Auftrag zum Aufbau der Ausstellung an David Syrovátka vergeben“, verkündet Koura sichtlich gut gelaunt im Presseraum des Magistrats von Aussig.

Die Vergabe des Auftrags, der immerhin über 1,2 Millionen Euro schwer ist, stellt einen Meilenstein dar. Der Vertrag mit Syrovátka sieht vor, dass die Ausstellung in acht Monaten nach Vertragsunterzeichnung fertig sein soll. „Wir gehen von sechs Monaten aus, haben aber eine Reserve einkalkuliert“, sagt Koura. Da die Unterzeichnung „nur Formsache“ sein soll, könnte die Ausstellung rein rechnerisch am 1. Oktober dieses Jahres eröffnen.

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Damit wird ein Vorhaben Wirklichkeit, das zwischen Deutschland und Tschechien zum Prestigeprojekt geworden ist. Deutschland hat die Ausstellung von Beginn an als wichtigen Teil der Aufarbeitung der Vertreibung der deutschen Minderheit aus der damaligen Tschechoslowakei empfunden. Nachdem vor allem Bayern und die Sudetendeutschen mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Beneš-Dekrete und damit verbunden einer Entschädigung inklusive Rückkehrrecht gescheitert waren, weckte diese Ausstellung das Vertrauen, es könnte doch irgendwann zu einer echten Würdigung der nach 1945 rund 3 Millionen Vertriebenen kommen. Entsprechend beharrlich stand das Projekt bei Besuchen der Bundeskanzlerin wie des Bundespräsidenten immer wieder auf der Tagesordnung, obwohl oder gerade weil schon so lange nichts mehr von ihm zu hören war.

Projekt schien schon gescheitert

Seit das Collegium Bohemicum 2006 mit dem Auftrag, die Dauerausstellung vorzubereiten, gegründet wurde, hatte es schon mehrfach Termine gegeben, wann sie eröffnen sollte. Doch in den letzten Jahren war es still geworden. Nicht wenige sahen das Projekt bereits gescheitert. Immer wieder war von politischem Druck die Rede. Als dann die langjährige Direktorin des Collegium Blanka Mouralová abberufen wurde, schien das Projekt vor dem Aus. In der Tat hat es seit dem Amtsantritt von Koura noch einmal fast drei Jahre gedauert, ehe die Ausstellung nun in die entscheidende Phase geht. Dabei hieß es mehrfach, die Konzeption sei längst fertig, ein Architekturwettbewerb für die Ausstellung gekürt. Vor allem aber standen die 1.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche schon seit Juli 2011 für das Collegium Bohemicum im Stadtmuseum von Aussig bereit.

„Als ich meine Arbeit begann, waren die technischen Parameter der Konzeption schon wieder veraltet und mussten erneuert werden. Außerdem waren aus meiner Sicht entscheidende Kapitel ausgespart“, begründet Direktor Koura den Verzug. Ergänzt hat er die deutschsprachigen Juden. Ein weiteres Kapitel, das neu hinzukam, sind die deutschböhmischen und deutschmährischen Nobelpreisträger.

Als Hauptgrund für die Verzögerung nennt Petr Koura jedoch die aufwendige Bürokratie seitens des Kulturministeriums, welches die Millionen-Fördermittel bereitstellte. „Allein die Ausarbeitung des Vertrages mit dem Lieferanten dauerte drei Monate, um nur ein Beispiel zu nennen“, sagt Koura. So drängte sich gelegentlich der Eindruck auf, die Ausstellung sei zumindest von staatlicher Seite doch nicht so gewollt. Schon um die Millionen für die eigentliche Ausstellung zu beschließen, hatte die tschechische Regierung mehrere Jahre gebraucht. Dazu kommen die für ein solches Projekt nicht annähernd adäquaten Arbeitsbedingungen.

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„Das Collegium Bohemicum braucht sicher deutlich mehr Geld, um die ihm zugedachte Rolle auszufüllen“, bestätigt Tomáš Vlach, Stellvertreter des Oberbürgermeisters von Aussig. Die Stadt finanziert das schmale Jahresbudget von umgerechnet 60.000 Euro bislang allein. „Es handelt sich um ein Projekt mit einer Ausstrahlung nach ganz Tschechien und ins Ausland, entsprechend sollte sich der Staat künftig an der Finanzierung beteiligen“, fordert Vlach.

Wer verstehen will, warum solche Forderungen heute noch in Tschechien heikel sind, muss Ergebnisse von Umfragen wie jener aus dem Dezember kennen. 41 Prozent der Menschen in Tschechien halten die Vertreibung demnach immer noch für gerechtfertigt. Dagegen stehen 38 Prozent, die sie verurteilen, der Rest hat dazu keine Meinung. Zwar haben sich diese Werte über die Jahrzehnte langsam angenähert, aber sie erklären auch, warum sich kaum ein tschechischer Spitzenpolitiker aktiv für die Ausstellung einsetzt.

Einladung an Angela Merkel

Im ehemaligen Sudetengebiet wäre diese Umfrage sicher anders ausgefallen, was nicht nur die jahrelange kontinuierliche Unterstützung der Stadt Aussig zeigt, sondern auch eine Vielzahl von Initiativen, die deutsche Friedhöfe pflegen, Kirchen retten und an die einstigen deutschen Mitbürger erinnern. Genau darum geht es auch der Ausstellung: 800 Jahre deutsch-tschechisches Zusammenleben dokumentieren ohne die letzten dunklen Kapitel aus faschistischer Besatzung und Vertreibung auszusparen. Gezeigt wird das alles mit den heutigen technischen Möglichkeiten, was die hohen Kosten für die Umsetzung erklärt.

Es ist schon fast ein Glücksfall für das Projekt, dass nun mit David Syrovátka ein erfahrener Ausstellungsmacher zum Zuge kommt, der in eben jenen einstigen Sudeten nahe der Grenze zu Sachsen lebt und verwurzelt ist. „Auch das ist ein Umstand, der mich sehr glücklich macht“, gesteht Direktor Koura, der in Gedanken schon bei der Eröffnungsfeier ist. Wer auf seiner Einladungsliste ganz oben steht, hat er schon mal verraten: Angela Merkel.

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