An der Grenze bei Eiland (Ostrov) entstand ein deutsch-tschechischer Picknickplatz, Foto: www.lubiger-weltsichten.de

An mehreren Orten trafen sich am Samstag über 100 Deutsche und Tschechen zu einem Grenzpicknick. Sie fordern damit eine baldige und vollständige Öffnung der Grenze für den kleinen Grenzverkehr.

Seit die tschechische Regierung Mitte März die Grenzen für Einreisen versperrte, läuft auf dem kleinen Pfad nahe der Grenzplatte Richtung Tschechien kaum jemand entlang. Er befindet sich gerade noch auf deutscher Seite, links bedeuten die Grenzsteine, dass da schon Tschechien ist. Doch an diesem ersten Mai-Samstag ist das anders. Am frühen Nachmittag strömen Dutzende Menschen an den Ort etwas weiter, an dem der Pfad auf die Grenze trifft und später auf tschechischer Seite Richtung Tissaer Wände fortsetzt.

Wie auf einem großen Picknickplatz sieht es aus. Auf beiden Seiten der Grenze sind Decken ausgebreitet, wird Kaffee gekocht, werden Bier- und Schnapsflaschen geöffnet, sich über die Grenze zugeprostet, Fußball gespielt und Lieder gesungen. Freunde sehen sich erstmals nach Wochen wieder. Alles mit dem nötigen Abstand und auf tschechischer Seite mit Mundschutz. Für zwei Stunden verschwimmen an diesem Nachmittag die Grenzen und kehrt ein Stück Normalität in das Leben beiderseits der Grenze zurück.

„Wir möchten ein Zeichen gegen die geschlossene Grenze setzen“, sagt Stephan Messner aus dem nahe der Grenze gelegenen Berggießhübel in Sachsen. Offiziell ist das Treffen rein zufällig entstanden. Auf einer Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook wurde ein Aufruf gestartet. „Ich werde am 2. Mai nachmittags einen Ausflug an die Grenze bei Eiland (Ostrov) unternehmen und dort eine Rast machen. Vielleicht kommt ja zufällig jemand von Euch 14 Uhr von der anderen Seite der Grenze vorbei“, hatte der Aussiger Universitätsdozent Jan Kvapil in der Gruppe gepostet und dies mit einem ziemlich eindeutigen Ortshinweis versehen. Die Botschaft wurde verstanden und sogar so sehr, dass sich die Aktion auf weitere fünf Orte entlang der sächsisch-tschechischen Grenze ausbreitete. Insgesamt demonstrierten auf diese Weise am Samstag über 100 Menschen für eine offene Grenze.

Geschlossene Grenze keine Normalität

„Wir leben seit zehn Jahren hier und die Grenze hat es für uns nie gegeben. Wir sind oft in Tschechien, haben dort Freunde“, begründet Stephan Messner seine Teilnahme. Für ihn sei die plötzliche Grenzschließung vor sieben Wochen ein großer Schock gewesen. Er wehrt sich, dass das nun Normalität sein soll. „Es war am Anfang vielleicht noch verständlich, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Aber inzwischen gibt es für die geschlossene Grenze keine rationale Begründung mehr“, sagt er. Und Jan Kvapil stimmt ihm zu: „Wenn ich bei mir in Aussig um die Ecke in den Kaufland gehe, ist die Ansteckungsgefahr deutlich höher, als wenn ich zu meinen Freunden nach Sachsen fahren würde.“ Kvapil findet, dass zwar inzwischen alles versucht wird, damit die Tschechen wieder in die Slowakei oder nach Österreich in den Urlaub fahren dürfen. „Aber über den kleinen Grenzverkehr spricht niemand. Dabei greift das viel härter in das Leben ein. Davon sind Familien und Freundschaften betroffen“, sagt der Germanist, dessen Lehrtätigkeit durch die geschlossene Grenze ebenfalls eingeschränkt ist.

Grenze Eiland Steffen Neumann web

„Österreich und Sachsen haben vergleichbare Ansteckungszahlen. Und in Sachsen sind die Maßnahmen gegen Corona im Prinzip identisch mit denen in Tschechien. Es gibt also keinen Grund, die Grenze nicht zu öffnen“, so Kvapil weiter.

So und ähnlich drücken sich viele an diesem Tag an den Grenztreffen aus. Fast jeder ist direkt oder indirekt von der Schließung betroffen, sei es im Beruf, Schule oder privat. „Ich bin gegen Grenzen, nicht nur hier, auch überall in Europa. Für uns in Tschechien, denen die Grenzen einst verschlossen waren, ist dieser Rückfall jetzt besonders schmerzlich“, sagt Daniela Linková aus Aussig (Ústí nad Labem).

Den Picknickern an der Grenze ist aber noch etwas wichtig: nicht mit anderen Protestlern gegen die Corona-Maßnahmen verwechselt zu werden. „Wir müssen die geschlossene Grenze thematisieren, sonst machen es die Braunen“, sagt Stephan Messner. Dabei waren es jene, die heute lautstark gegen die geschlossene Grenze protestieren, die sie noch vor einem Jahr schließen wollten, erinnert er.

Öffnung im Juli?

Für alle an diesem Tag war dieses Picknick nur der Auftakt. „Wir treffen uns jetzt so lange, bis die Grenze wieder offen ist“, kündigt Kvapil an. Vielleicht geht das mit der Grenze auch schneller als bisher gedacht. Zumindest äußerte der tschechische Außenminister Tomáš Petříček am Wochenende den Wunsch, dass Tschechien die Grenzen zu seinen Nachbarstaaten ab Juli wieder öffnen will. Am weitesten seien die Verhandlungen demnach mit der Slowakei und Österreich, während es mit Polen kompliziert ist, so Petříček.

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