Neutitschein im späten 19. Jahrhundert. Foto: Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Neutitschein (Nový Jičín) ist die historische Hauptstadt des Kuhländchens. Um ihre Entstehung ranken sich verschiedene Sagen und Legenden.

Zur der Zeit König Ottokars II. wohnte in dem Alttitscheiner Schloss ein Ritter, der nur eine Tochter zum Kinde hatte. Diese war stark und mutig und streifte am liebsten einem Manne gleich durch die großen Wälder, die damals das Land weit und breit bedeckten, um nach Wild zu jagen. Eines Tages erschien eine arme Frau im Schloss und erzählte unter Tränen, ein mächtiger Bär habe ihr Knäblein geraubt und sei mit seiner Beute in den Wald entwichen. Sogleich gab die Ritterstochter Befehl, eine Jagd zu veranstalten. Bald darauf sah man auch den prächtigen Jagdzug, das Fräulein an der Spitze, den Berg hinabreiten und im Dunkel des Waldes verschwinden. Obwohl dieser nach allen Richtungen durchforscht wurde, war keine Spur von dem Bären zu entdecken. Missmutig dachte das Fräulein schon daran, umzukehren, als ein Hirsch vorübereilte. Ihn verfolgend, drang sie, von einem Diener begleitet, tiefer in den Tann. Da vertrat ihr plötzlich die Mutter des geraubten Knaben den Weg mit den Worten: „Was verfolgt Ihr den Hirsch? Hört Ihr nicht das Jammern des Kindes?“

Die Ruine der Burg Alttitschein. Foto: Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Die Ruine der Burg Alttitschein. Foto: Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Das Fräulein hielt das Pferd an und horchte: Fernes Weinen drang an ihr Ohr. Sie folgte ihm und gelangte in ein Dickicht, das ihr aber das Vordringen so erschwerte, dass sie genötigt war, das Ross der Obhut des Dieners zu übergeben. Nun eilte sie dem Schreien nach und stieß so auf die Höhle des Bären. Ein mächtiges Tier kam ihr entgegen. Sie sandte einen Pfeil ab, allein der verwundete es nur, und ehe sie den Bogen ein zweites Mal spannen konnte, stand der Bär hoch aufgerichtet vor ihr. Sie wähnte sich bereits verloren. Da schwirrte ein wohlgezielter Pfeil durch die Luft und zu Tode getroffen stürzte das Tier nieder, das Mädchen mit sich reißend. Ein Hirte hatte ihre Gefahr erkannt und sie durch seinen Schuss gerettet. Nun eilte er herbei, befreite sie aus ihrer gefährlichen Lage und geleitete sie in das Schloss ihres Vaters. Dieser fand Gefallen an dem Retter seines Kindes, behielt ihn im Schloss und ließ ihn in allen ritterlichen Übungen unterweisen. Später erteilte er ihm den Ritterschlag und gab ihm seine Tochter zur Frau.

Schon früher hatte die Gerettete auf dem Orte, wo Gott sich ihr so hilfreich erwiesen hatte, eine Kapelle erbauen lassen. Ihr Gemahl errichtete nun daneben ein Jagdschlösschen und für seine alte Mutter, deren Hütte sich in der Nähe befand, ein Häuschen. Das waren die ersten Baulichkeiten einer Ansiedlung, welche rasch zu den schmucken Städtchen Neutitschein heranwuchs.

Die Mühlgaß – Kapelle in Neutitschein

In früherer Zeit floss die Titsch (Jičínka) an der damaligen Untervorstadt Neutitscheins, etwa die jetzige Grenzgasse entlang, dahin. Infolge eines heftigen, wolkenbruchartigen Regens schwoll sie einmal so an, dass sie weit aus ihren Ufern trat. Brücken und Stege, ja sogar Häuser rissen die wilden Fluten fort.

In dem letzten Häuschen der Mühlgasse wohnte damals ein Taglöhner mit seinen Angehörigen. Mit Bangen sahen die Armen, wie die wilden Wasser die kleine Hütte umtosten, drohend, sie mitzureißen. In ihrer Angst warf sich die fromme Familie auf die Knie nieder und flehte zur Himmelsmutter um Hilfe. Während des Gebetes bemerkte der Mann an dem alten Weidenbaume, der an seinem kleinen Häuschen gegenüber am Ufer des Flusses stand, ein seltsames Leuchten. Er trat an das Fenster und sah in den Ästen ein Marienbild hängen. Neuerlich kniete er mit den seinen nieder und betet mit ihnen: „Heilige Jungfrau, du Hort der Armen, du Stern in Gefahren, bitte für uns! Hilf uns o Maria!“

Während sie so sprachen, zog sich fast plötzlich das Wasser in sein Bett zurück. Das Leben der Armen war gerettet und ihre Hütte vor dem Einsturz bewahrt. Freudig eilte die Familie hinaus zur Weide, von der das Bild der Gottesmutter mit dem toten Sohne auf dem Schoße ernst herabblickte. Um es vor den Unbilden des Wetters zu schützen, sowie um den Dank für die Rettung durch eine Tat zu beweisen, ließ der fromme Hausvater einen hölzernen Kasten anfertigen: In den stellte er das Bild und befestigte ihn an der Weide.

Gar bald verrichteten auch andere Andächtige dort ihr Gebet. Das Bild wurde bekannt und der  Zulauf der Frommen mehrte sich von Tag zu Tag: In dem Opferstock, der beim Baum aufgestellt war, fielen so reiche Gaben, dass man schon nach einigen Jahren imstande war, an der Stelle eine steinerne Kapelle zu erbauen.

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