Der russische Impfstoff gegen COVID-19: Sputnik V. Foto: ČTK/ITAR-TASS/Sergei Bobylev

Präsident Zeman schießt gegen Sputnik-Gegner in der Regierung und bringt damit Premier Babiš in Bedrängnis.

Tschechien durchlebt die härtesten Tage der Pandemie. Die Zahl der schweren Fälle in den Kliniken ist so hoch wie nie, Ärzte und Pflegepersonal arbeiten am Limit. Vor dem Sommer wird es nicht grundlegend besser werden, sagen Experten wie Politiker. Dass sich Präsident Miloš Zeman sorgenvoll äußert und namentlich den Rücktritt des wenig erfolgreichen Gesundheitsministers Jan Blatný fordert, kann da auf den ersten Blick nicht erstaunen. Doch das Staatsoberhaupt stört sich bei Blatný „nur“ an dessen Dickköpfigkeit. Der Gesundheitsminister ist das so ziemlich letzte Hindernis bei der von Zeman forcierten Einführung des russischen Impfstoffs Sputnik V.

Zwar hatte der Präsident unlängst bei einem Treffen aller Spitzenpolitiker des Landes zugestimmt, dass in Tschechien nur von der EU anerkannte Vakzine verimpft werden sollen. Aber kurz danach fragte er bei Wladimir Putin an, ob Russland nicht mit Sputnik helfen könne, was dieser erfreut bejahte. Blatný will sich aber nicht beugen: „So lange ich Gesundheitsminister bin, wird in diesem Land kein Impfstoff verwendet, der nicht von der EU zugelassen ist.“

Zeman fordert Rücktritt des Gesundheitsministers

Jetzt platzte Zeman der Kragen. In einem Interview verlangte er den Rücktritt des Ministers. Der trage mit seinem Nein zu Sputnik „die Verantwortung für den Tod von Covid-Kranken“ in Tschechien. Sollte Premier Andrej Babiš an Blatný festhalten, würde das „nicht zur Verbesserung unserer freundschaftlichen Beziehungen beitragen“, machte Zeman dem Premier klar.

Babiš lehnte die Forderung Zemans vorerst ab: „Personalveränderungen in der Regierung stehen derzeit nicht auf der Tagesordnung.“ Er fühle sich von Zeman auch nicht unter Druck gesetzt, sagte der Regierungschef. In Wahrheit aber steht Babiš mit dem Rücken zur Wand. Seine politische Zukunft hängt davon ab, ob der Präsident den Daumen hebt oder senkt.

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Premier Andrej Babiš (links) und Präsident Miloš Zeman, Foto: ČTK/Vondrouš Roman

Hier rächt sich, dass die tschechische Verfassung in den Wirren der staatlichen Trennung von der Slowakei Anfang der 1990er Jahre zu Teilen mit der heißen Nadel gestrickt wurde. Diese Verfassung räumt dem Staatsoberhaupt nach Wahlen eine übergroße Machtposition ein: Der Präsident allein entscheidet darüber, wen er nach einem Urnengang mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.

Das muss in Tschechien nicht unbedingt der Sieger der Wahlen sein. Entscheidend ist nur, ob der vom Präsidenten Auserwählte ein Kabinett zusammenstellen kann, das auch das Vertrauen des Parlaments erlangt. Erst wenn zwei vom Präsidenten ernannte Premiers im Abgeordnetenhaus gescheitert sind, geht das Recht zur Nominierung des neuen Regierungschefs an den Vorsitzenden des Parlaments über. Das mühsame Prozedere kann sich über viele Monate hinziehen, in denen das Wohl und Wehe des Landes in der Hand des Staatsoberhauptes liegt.

Auch der Außenminister soll weg

Natürlich weiß Zeman um die Ambitionen von Babiš, die Wahlen in wenigen Monaten zu gewinnen und im Amt zu bleiben. Und natürlich kennt auch Babiš die Verfassung. Deshalb muss er dem Präsidenten irgendwie entgegen kommen.

Zumal Zeman auch Außenminister Tomáš Petříček auf seiner Abschussliste hat. Der ist auch kein Sputnik-Fan, stört Zemans innere Nähe zu Moskau aber auch bei einem noch viel bedeutsameren Geschäft: Der Minister ist aus Sicherheitsgründen dagegen, russische Firmen am Bau eines neuen Blocks für das Atomkraftwerk in Dukovany zu beteiligen.

Den Außenminister auszuwechseln, ist für Regierungschef Babiš aber noch komplizierter, als Gesundheitsminister Blatný zu feuern. Anders als Blatný ist Petříček Sozialdemokrat, gehört also zum Juniorpartner von Babiš in der Regierung. Sollte der Premier hier Hand anlegen, organisiert er sich einen Riesenstreit in der Koalition, den er jetzt ebenso wenig brauchen kann wie steigende Covid-Inzidenzen.

In seiner schwierigen Lage bekommt der Premier sogar Rückendeckung von Teilen der bürgerlichen Opposition: „Wir leben nicht in einer Präsidialdemokratie oder einer Monarchie.“ Das sagt die Opposition nicht aus plötzlicher Liebe zu Babiš, sondern aus Sorge vor den allseits gefürchteten Machtspielen von Zeman. Den können sie damit aber nicht beeindrucken. Zeman gefällt sich in der Rolle des gewieften Spalters und Herrschers wie kein zweiter Politiker an der Moldau. Und er hat die Verfassung auf seiner Seite.

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