Als Miloš Zeman mit engsten Vertrauten auf dem Weg zum Begießen seines Sieges ist, trifft er auf seinen Vorgänger Václav Klaus, der ihm herzlich gratuliert. Beide sind Brüder im Geiste, Klaus hat Zeman wie schon vor fünf Jahren in der Stichwahl um das Präsidentenamt wieder unterstützt.

 

Im kurzen Gespräch sagt Zeman, er erwarte, dass das „Prager Caféhaus“ – eine abschätzige Bezeichnung für die kritische Elite Tschechiens – „jetzt endlich die Klappe hält“. Zur selben Zeit an anderer Stelle des Hotels gehen Leute aus dem Stab Zemans auf Fotografen und Kameramänner los, reißen ihnen die Technik aus den Händen und schlagen mit Fäusten zu. Zemans Sprecher meint dazu nur: „Das interessiert mich nicht.“

Bei den Gegnern Zemans auf Facebook macht sich derweil schiere Verzweiflung breit. Manche vergleichen das Ereignis mit dem Ende des Prager Frühlings 1968 und der folgenden ideologischen Gleichschaltung des Landes, sprechen von „innerer Emigration“, in die sie sich – wie damals – auch jetzt wieder begeben wollten. „Einfach nur raus auf das Wochenendhäuschen und die Tür hinter sich zuknallen.“ Selbst von „Auswandern“ ist die Rede.

Später kommen erste nachdenklichere Kommentare, die nach Gründen suchen. Der Herausforderer, Jiří Drahoš, sei zu lasch gewesen, schlecht beraten worden, heißt es. Unfähig, Zemans Lügenkampagne über den angeblichen „Willkommens-Präsidenten“ für „muslimische Terroristen“, etwas entgegenzusetzen. Sich nur als „Anti-Zeman“ zu begreifen, habe nicht ausreichen können.

Die Anhänger des knapp für eine zweite fünfjährige Amtszeit auf der Prager Burg gewählten Präsidenten dagegen jubeln begreiflicherweise, verfassen Elogen auf Zeman und überschütten dessen Gegner mit verbaler Häme. Gewonnen ist gewonnen, auch wenn am Ende nur 150 000 Wähler zu Gunsten Zemans entschieden haben. Der kam auf 51,36 Prozent der Stimmen, Drahoš auf 48,63 Prozent. Der knappe Sieg machte die Stimmung der Zeman-Freunde nur noch süßer.

Szenen eines Abends, der nach Meinung aller Beobachter lange nachhallen wird in Tschechien. Szenen, die die „tiefe Zerrissenheit der Gesellschaft“ belegen, wie Petr Honzejk, Chefkommentator der „Hospodářské noviny“, schreibt. Für ihn wie für viele andere Beobachter hat beim „Referendum über Zeman“ der im Land weit verbreitete „Frust“ gewonnen. Der „Frust“ über die ganze Entwicklung seit 1989, über die „Eliten“, die ihre Versprechen vom raschen Wohlstand nicht eingehalten hätten. „Dabei haben diese Frustrierten völlig übersehen, dass ihr Kandidat Miloš Zeman genau zu diesen Eliten gehört habe, viele Jahre an herausragender Stelle.“

Freilich hat Zeman in dieser Zeit auch zahlreiche Drehungen und Wendungen vollzogen. Heute ist er für die Hälfte des Landes der Heilsbringer, weil er – wie seine Wähler – gegen etwas ist. Gegen die EU, gegen die Bevormundung aus Brüssel, gegen die Migrationspolitik Merkels, gegen die westlich liberale Demokratie, gegen die etablierten Parteien. Zeman hat im zweiten Wahlgang zusätzlich massiv Stimmen aus dem fremdenfeindlichen Lager des Tschecho-Japaners Tomio Okamura bekommen. Wie er generell von den Wählern der Parteien unterstützt wurde, die schon bei den Parlamentswahlen „Protest“ gewählt hatten. Die haben im Abgeordnetenhaus die klare Mehrheit. Und sie haben ihren „Protest“ auch jetzt bekundet.

Darunter vor allem auch die Wähler der gegen das Establishment gerichteten Bewegung ANO von Andrej Babiš. Des Premiers, der es im ersten Anlauf nicht geschafft hat, das Vertrauen des Abgeordnetenhauses für eine Minderheitsregierung zu bekommen. Wegen des Verdachts, EU-Subventionen erschlichen zu haben, die seinem Großkonzern Agrofert nicht zustanden. Babiš regiert jetzt kommissarisch weiter, sucht mit dem Beistand Zemans ein mehrheitsfähiges Bündnis zu schließen. Das soll nach Zemans Willen am liebsten von Rechts- wie Linksaußen toleriert werden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Was der „Rest“ Europas dazu sagt, wie der auf ein zumindest mental weiteres Abdriften Tschechiens gen Osten reagieren würde, wäre Zeman so ziemlich egal. Der unterlegenen Hälfte der Wähler um das Präsidentenamt freilich nicht. Auch aus diesen Weiterungen des Sieges von Zeman erklärt sich die tiefe Enttäuschung der Anti-Zeman-Front. Für die könnte am Ende sogar noch der bei ihnen nicht beliebte Babiš zum Hoffnungsträger werden, weil der im Gegensatz zu Zeman wenigstens die EU für unverzichtbar für Tschechien hält und einen weiteren Ostkurs nicht gutheißt.

Eine Prager Zeitung meinte kurz vor der Stichwahl die Menschen beruhigen zu müssen. „Großmutter würde in ihrer Weisheit sagen: ‚Keine Panik, Jungchen, Brot wird es auch morgen noch geben‘“. „Ja“, antwortete darauf ein Leser, „aber wir leben nicht von Brot allein.“

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