Foto: Sophie Hohenberg de Potesta - Bild: Jiří Brauner

Das meint Sophie Hohenberg de Potesta, Urenkelin von Franz Ferdinand d´Este und Sophie Chotek-Hohenberg. Im LE Gespräch erzählt sie, wie sie sich mit Böhmen verbunden fühlt und warum die Enteignung ihrer Vorfahren grobes Unrecht war.

 

 

 

 

 

LE Ihre Vorfahren wurden nach dem Ersten Weltkrieg als Kinder und Waisen enteignet und vertrieben. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie in im Land Ihrer Ahnen weilen?

Die Familie meiner Urgroßmutter ist mit der Geschichte Böhmens eng verbunden. Doch seit mein Großvater Max Hohenberg als Kind mit seinen Geschwistern des Landes verwiesen wurde, haben wir verständlicherweise den Kontakt etwas verloren. Was uns blieb, ist ein Gefühl der Verbundenheit, eine Art Heimweh. Bei mir ist dieses Gefühl stark. Ich fühle mich zuhause in einem Land dessen Sprache ich nicht spreche, das ist schon etwas merkwürdig.

LE Können Sie sich vorstellen hier zu leben?

Ja ich würde gern in Tschechien leben denn ich fühle mich, wie gesagt, in Böhmen wohl. Aber es wird wohl so schnell nichts aus diesem Traum. 

LE Unsere Zeitschrift hat im vergangenen Jahr anlässlich des traurigen Gedenktages des Attentats von Sarajevo auch über die Enteignung Ihrer Familie berichtet. Gehen Sie, als Erbin von Schloss Konopischt (Konopiště) bei Prag dagegen an? Unsere Leser wird sicher interessieren wie sich die Causa entwickelt.

Ich habe vor einigen Jahren, eine Klage gegen die Enteignung meiner Familie, eingereicht. Im Vertrag von St Germain wurde von den Unterzeichnern zwar beschlossen, dass die ehemalige österreich-ungarische Herrscherfamilie enteignet wird und die Besitztümer der Familie an die Länder, die aus dem Zerfall der Doppelmonarchie entstandenen sind, übergehen würden.

Was uns Hohenbergs betrifft, hat die damalige Tschechoslowakei den Vertrag von St. Germain aber recht breit ausgelegt. Die, damals noch minderjährigen, Kinder des ermordeten Thronfolgers und seiner Gemahlin, wurden schon im April 1919 ohne Grund des Landes verwiesen. Ihre Schlösser Konopischt und Chlumetz in Südböhmen hatte der Staat bereits konfisziert als es noch keine legale Basis dafür gab. Also musste man eine Lösung finden, um diese übereilte Untat zu rechtfertigen. Und so wurden einfach die Paragraphen zurecht gebogen.

Das Enteignungsgesetz, das sich auf den Vertrag von St. Germain beruft, spricht nur von Franz Ferdinand denn er war ja ein Habsburger. Die Ehe meiner Urgroßeltern war aber morganatisch. Das bedeutet, dass mein Urgroßvater, um die Liebe seines Lebens zu heiraten, einen Eid schwören musste. In diesem Eid verzichtete er für seine Frau und für seine Nachkommen auf alle Rechte und Privilegien, die Mitgliedern der Herrscherfamilie damals zustanden. Mein Urgroßvater betonte laut, dass seine Kinder und Nachkommen keine ebenbürtigen Mitglieder der Herrscherfamilie sein werden. Deshalb heißen seine Nachkommen auch nicht Habsburg, sondern Hohenberg. Das wurde aber bei der Enteignung geflissentlich übersehen.

In meiner Klage ging es darum, dass sich der Vertrag von St. Germain aus diesen Gründen nicht auf die Nachkommen Franz Ferdinands bezieht. Aber es hat alles nichts genützt, ich habe in allen Instanzen verloren. Wissen Sie, was ein Staat einmal, wie auch immer, erworben hat, das gibt er nicht gerne wieder zurück. Was kann eine Person allein gegen ein ganzes Land? Recht oder Unrecht gehen da beiseite. Hier regiert ganz einfach die Macht des Stärkeren.

LE Was würde sich in Konopischt ändern, wenn Ihre Familie das Schloss zurückbekommen hätte?

Nicht viel. Man kann ein Anwesen wie Konopischt heutzutage nicht mehr bewohnen wie vor 100 Jahren. Wie die meisten Schlösser heute, würde es weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Meine Familie würde aber gleichzeitig Konopischt wieder zu dem machen, was es war und hätte bleiben sollen: Ein Familiensitz, ein lebender Teil der Geschichte seines Landes. Kein trauriges Museum.

LE In Familien aus Konopischt und seiner Umgebung, die mit Ihren Vorfahren in Kontakt kamen, erzählt man noch heute Geschichten über sie. Funktioniert das auch umgekehrt? Gibt es in Ihrer Familie Geschichten, die mit den Bewohnern der Herrschaft Konopischt verbunden sind?

Natürlich hat es sie gegeben, nur ist mein Großvater gestorben als ich noch ein Baby war und viele Geschichten sind mit ihm verschwunden. Ich weiß, meine Großtante Sophie hatte noch lange schriftlichen Kontakt zu Leuten aus Konopischt gehalten.

LE Ihr Großvater Maximilian und seinen Bruder Ernst, waren die Sprecher der monarchistischen Bewegung im Zwischenkriegs-Österreich. Und wurden als Gegner der Nazis und des Anschlusses im KZ Dachau eingesperrt. Sprach man in Ihrer Familie darüber, als Sie klein waren?

Ja natürlich wusste ich schon als Kind, dass mein Großvater und sein Bruder politisch aktiv waren und unter anderem auch deswegen in Dachau interniert waren. Mir war zwar damals nicht klar was Dachau war, das habe ich erst viel später verstanden. Alles was mein Großvater für seinen Vetter Otto von Habsburg bewirken konnte und wie sehr er sich für ihn eingesetzt hat, das habe ich erst als Erwachsene erfahren.

LE Nun, Ihr Großvater und sein Bruder wurden schon als Kinder durch die Umstände der Geschichte gezwungen, für ihre Rechte einzustehen…

Ich muss sagen, Sie imponieren mir bis heute sehr. Sie haben sehr früh gelernt, dass das Leben grausam sein kann. Sie haben am selben Tag beide Eltern verloren und sind kurz danach aus ihrem Haus und aus ihrem Land vertrieben worden. Sie haben fast alles verloren. Aber sie haben weiter gemacht, im Vertrauen auf Gott und darauf, dass sie eines Tages ihre Eltern wieder sehen würden. Sie waren davon überzeugt, dass sie in der Zwischenzeit als aufrechte Christen und als anständige Menschen zu leben hatten. Sie hatten keine psychologische Unterstützung, nur ihren Glauben und das Gebet. Sie haben gegen Unrecht und Ungerechtigkeit gekämpft, haben tapfer ihre Meinung geäußert, ich finde sie bewundernswert.

LE Es gab mal in Österreich Monarchisten, die zu den seriösen Spielern der hohen Politik gehörten. Glauben Sie, dass wir einmal eine Renaissance der Monarchie erleben werden?

Ich lebe in einer konstitutionellen Monarchie und finde das System gut. Es gibt dem Land und seiner Bevölkerung eine gewisse Stabilität, Kontinuität. Ob es das einmal wieder in anderen Ländern geben wird? Ich habe als junger Mensch nicht geglaubt, dass eines Tages der Eiserne Vorhang fallen würde. Aber wir haben es erlebt. Alles kann geschehen man sollte niemals nie sagen. Deshalb: warum nicht?

LE Vielleicht sind wir hier in Böhmen, Mähren und Schlesien momentan auf eine Monarchie besser vorbereitet, als Österreicher. Im Zusammenhang mit dem höchst negativen Wirken des ersten direkt vom Volk gewählten Staatspräsidenten, wird auch der Ruf nach Einführung der Monarchie lauter. Glauben Sie, aus Ihren Erfahrungen mit dem Alltag in Luxemburg, eine Monarchie könnte auch einem Land wie Tschechien etwas Positives bringen?

Wie schon gesagt, ich bin davon überzeugt, dass eine konstitutionelle Monarchie ein sehr positives politisches System ist. Viele Menschen sind heute von der Politik und den Politikern enttäuscht. Ein konstitutioneller Monarch steht normalerweise über den Dingen und kann seinem Volk ein Gefühl der Kontinuität geben. Der Mensch braucht etwas oder jemanden zu dem er aufschauen kann.

LE Vor einigen Jahren gab es im öffentlichrechtlichen Tschechischen Fernsehen eine Show, die sich „Der größte Tscheche“ nannte. Zuschauer haben wochenlang die wichtigste Persönlichkeit der tschechischen Geschichte gewählt. Der absolute Sieger wurde ein Luxemburger: Karl IV. Wissen auch die Luxemburger über die enge Verbindung zwischen ihrem Herrscherhaus und Böhmen? Sehen Sie da Gemeinsamkeiten?

Natürlich wissen viele von der gemeinsamen Geschichte auch wenn sie weit zurück liegt, Johannes der Blinde, (auf Luxemburgisch Jang de Blannen) Vater von Karl IV. ist ja schließlich in Luxemburg begraben. Aber 40 Jahre Kommunismus sind nicht spurlos an den Menschen in Tschechien vorbei gegangen. Wir haben während dieser Jahre ganz andere Lebensumstände genossen, das prägt. Aber Menschen sind Menschen und wir sind doch mehr oder weniger alle gleich, oder?

LE Ich habe von einigen Tagen im Buchladen einen Roman eines slowakischen Schriftstellers gesehen, der sich mit einem interessanten Thema befasst. Dort heißt es ungefähr: Das Attentat von Sarajevo scheitert. Erzherzog Franz Ferdinand wird Kaiser, der die Donaumonarchie reformiert. Das Kaiserreich wird zu einem der modernsten Länder der Welt und einer Weltmacht. Hitler kommt nie an die Macht, genauso wenig die Kommunisten in Mitteleuropa. Denken Sie manchmal darüber nach, wie unser Kontinent aussehen würde, hätte es kein Attentat von Sarajevo gegeben?

Ich denke oft daran wie Europa aussehen würde, wenn der Erste Weltkrieg nicht stattgefunden hätte. Mein Urgroßvater hat immer wieder vor einem Krieg gewarnt denn er meinte das wäre auch das Ende der Monarchien in Deutschland, Russland und Österreich und er hat ja Recht gehabt. Aber der Erste Weltkrieg hat Europa auf so vielen Ebenen verändert. Sei es in geopolitischer oder in sozialer Hinsicht.

Was aus Europa ohne den Ersten Weltkrieg geworden wäre, ist heute eigentlich unvorstellbar. Man kann die Geschichte nicht neu erfinden. Was passiert ist, das ist passiert! Aber es ist natürlich verlockend dieses Spielchen zu spielen. Und ich bin überzeugt, dass mein Urgroßvater ein guter Monarch gewesen wäre. Denn er hatte in vielen Sachen sehr moderne Ansichten.

Aber es wäre nicht einfach gewesen. Aus praktischen Gründen. Franz Ferdinand hätte die Besteigung des ungarischen Thrones nur ein Jahr lang herauszögern können. In diesem einen Jahr hätte er die ungarische Konstitution reformieren müssen. Denn der Monarch musste schwören die Konstitution zu erhalten und hätte er dies geschworen bevor er die Konstitution reformieren konnte, wären Ihm die Hände gebunden gewesen. Ein Jahr ist aber eine sehr kurze Zeit und es wäre bestimmt nicht leicht gewesen all dies erfolgreich zu bewirken ohne einen Bürgerkrieg.

Wäre es ihm aber geglückt, wer weiß. Nun wie gesagt, Geschichte ist Geschichte und daran können wir nichts ändern. Wir können nur aus ihr lernen und versuchen es besser zu machen.

 

Das Gespräch führte JAN SCHANELEC

 

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