Schnell noch mal ein Selfie ... Foto: ČTK/Říhová Michaela

Tschechien war das erste Land in Europa, das eine Mundschutzpflicht einführte. Nach mehr als zwei Monaten sind seit heute langsam wieder Gesichter zu sehen. Zugleich öffnen heute auch wieder Gaststätten und weitere Einrichtungen. Und der grenzüberschreitende Zugverkehr läuft langsam wieder an.

Er war das Symbol der Corona-Pandemie in Tschechien und der Auslöser für eine regelrechte Volksbewegung: der Mundschutz. Als eines der ersten Länder in Europa führte Tschechien Mitte März den flächendeckenden Mund- und Nasenschutz ein, nachdem bereits erste Städte und Regionen wie der Bezirk Reichenberg (Liberec) vorgeprescht waren. Da die Masken aber inzwischen ausverkauft oder völlig überteuert waren, durften sich die Tschechen auch mit Tüchern oder Schals behelfen.

Vor allem aber halfen sie sich selbst. Es begann mit Videos, die zeigten, wie sich ein alter ausgebeulter Männerschlüpfer schnell in eine veritable Vermummung verwandelt. Schon bald kursierten Schnittmuster, durften Kurz- und Stoffwarengeschäfte wieder öffnen und wurden Nähmaschinen wieder reaktiviert. Ganz Tschechien, vor allem die Tschechinnen, begannen zu nähen und versorgten nicht nur sich, sondern auch andere mit den Masken. Denn wer keine hatte, durfte fortan nicht mehr das Haus verlassen oder musste mit Strafen rechnen. Es entstanden so originelle Wortschöpfungen wie „rouškovník“ für einen mit Masken behängten Ständer, kurz Maskenbaum. Oder „rouškomat“, einen Automaten, der statt Süßigkeiten oder Kaffee, Masken ausgibt.

Groteske Formen

Zwar hatte die Maskenpflicht auch unangenehme Folgen. Denn die Zahl der Anzeigen, wenn zum Beispiel der Nachbar ohne Maske ertappt wurde, stieg schneller als die der Coronainfizierten. So erschien die Polizei schon mal, wenn man sich ohne Maske zum Rauchen auf die Terrasse begab, was natürlich nicht bestraft wurde, da man sich auf dem eigenen Grundstück befand. Auch nahm die Maskenpflicht groteske Formen an. Sie bezog sich auch auf den Jogger, der allein auf weiter Flur in der Früh seinen Morgenlauf absolvierte, oder Wanderer, die sich auf einsamen Wegen fernab der Zivilisation bewegten. Gerade Sport treiben mit Mund- und Nasenschutz war eine echte Herausforderung.

Schutzmasken Werkstätten Reichenberger Region

Doch auch wenn sie nervige Begleiterscheinungen hatte, die Maske schweißte die Bevölkerung in der Krise zusammen. Die sozialen Netzwerke wurden mit Millionen Fotos überschwemmt, auf denen sich Menschen mit Mund- und Nasenschutz zeigten, frei nach dem Motto: Das gute Beispiel geht voran.

Nach mehr als zwei Monaten ist diese Zeit nun vorbei. Ab Montag reduziert sich die Pflicht auf ausgewählte Orte, wie alle Innenräume außerhalb der eigenen Wohnung, wie Einkaufszentren, Läden, Kinos, Theater, den öffentlichen Nahverkehr sowie an der frischen Luft, wenn sich zwei oder mehr Personen verschiedener Haushalte treffen. In Büros dürfen Mitarbeiter schon seit letzter Woche maskenfrei sitzen, wenn die Mindestabstände gewahrt sind.

Die Lockerung im Gesichtsfeld kommt gerade zu rechten Zeit. Denn langsam begann es bei den steigenden Temperaturen unter dem Mund- und Nasenschutz ungemütlich zu werden. Außerdem treten heute weitere Lockerungen in Kraft, die mit Maske schwer durchführbar wären. Das arg gebeutelte Hotel- und Gastgewerbe freut sich, dass es nun wieder seinen vollen Betrieb aufnehmen darf. Zwar durften Terrassen und Biergärten schon vor zwei Wochen öffnen. Angesichts der kühlen Witterung hielten sich die Gäste allerdings zurück. Und die meisten Betriebe hatten ohnehin keine Außentische.

Der Fußball und der Eurocity rollt

Bei den Lockerungen, die am Montag in Kraft treten, handelt es sich um die letzte Stufe, der seit 20. April gestarteten Rückkehr zur Normalität. Bereits vergangenen Wochenende nahm die Fußballliga wieder ihren Spielbetrieb auf, natürlich ohne Zuschauer. Zwar bleiben Großveranstaltungen weiter verboten und der Schulbesuch in den unteren Klassen zunächst fakultativ. Aber im Großen und Ganzen herrscht in Tschechien seit heute wieder etwas mehr Normalität. Fehlt nur noch eins: die Öffnung der Grenzen. Die sollen zu den Nachbarstaaten Mitte Juni aufgehen, so der letzte Stand. Wie ein Vorbote der Grenzöffnung fuhr heute morgen 6.26 Uhr der erste Eurocity über Dresden nach Berlin. Jeden Tag setzt České dráhy zunächst drei Zugpaare ein. Alle vier Stunden startet dann ein Zug von Prag zunächst nach Berlin. An der Grenze gibt es Kontrollen, Verspätungen sind vorprogrammiert. Die Ausweitung der Verbindungen ist für Juni vorgesehen.

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