Markéta Frank ist Geschäftsführerin des Kindergartens Kids Company in Prag. Seit der Gründung 2005 werden dort die Kinder auf Tschechisch und Deutsch betreut. Damit war Kids Company ein Vorreiter in der tschechischen Hauptstadt. Mit dem LandesEcho sprach Markéta Frank über bilinguale Erziehung in ihrem Kindergarten und im Familienkreis.

 

LE: Frau Frank, wie viele Kinder haben Sie momentan im Kindergarten und wie viele bringen von daheim Erfahrungen mit Bilingualität mit?

Wir haben hier 36 Kinder. 16 bei den null- bis dreijährigen und zwanzig bei der älteren Gruppe. Ungefähr die Hälfte der Kinder spricht auch zu Hause Deutsch und Tschechisch. Andere haben deutsch-chinesische oder tschechisch-russische Eltern. Also ich würde sagen, dass fast zwei Drittel der Kinder Erfahrungen mit Multilingualität zu Hause haben.

LE: Es gibt verschiedene Konzepte, wie man Kinder an eine andere Sprache heranführen kann. Nutzen Sie im Kindergarten das sogenannte Immersionskonzept, bei dem immer eine Person eine festgelegte Sprache mit dem Kind spricht?

Ja, das wir machen auch. Bei uns funktioniert das Konzept so, dass vormittags die Erzieherinnen, die deutsche Muttersprachler sind, nur deutsch mit den Kindern sprechen. Unsere derzeitigen Kolleginnen sprechen alle ein bisschen Tschechisch. Sie verstehen es also, wenn die Kinder tschechisch reden, aber antworten dann trotzdem konsequent auf Deutsch.
Wir finden das Modell sehr natürlich, es entspricht einer Familie, wo der eine Elternteil deutsch und der andere tschechisch spricht und die Kinder beiden Sprachen ausgesetzt werden. Dasselbe funktioniert dann nachmittags mit der tschechischen Sprache. Ansonsten lassen wir den ganzen Tag die Kinder so spielen, wie sie möchten. Manchmal sagen uns die Eltern dann: ’Verbieten sie das den Kindern, dass sie mit anderen nur auf Tschechisch spielen, wir wollen, dass das Kind schnell Deutsch lernt’. Aber wir wollen, dass die Kinder das selber entscheiden können, wie Erwachsene.

Auch deutsche Feste werden in der Kita gefeiert - Foto: Friederike AschhoffLE: Es ist belegt, dass bilinguale Kinder oft phasenweise eine Sprache lieber sprechen. Geht damit einher, dass die Kinder die Sprachen unterschiedlich gut erlernen?

Ich glaube, bei allen Kindern ist eine Sprache stärker ausgeprägt. Das liegt auch an bestimmten Lebensphasen. Ich finde zudem, dass man nicht wirklich erwarten kann, dass die Kinder beide Sprachen zu hundert Prozent gleich gut sprechen.

LE: Ist es denn schon vorgekommen, dass ein Kind sich geweigert hat eine Sprache anzunehmen?

Wir hatten solche Fälle, aber da gab es eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Normal entwickelte Kinder schaffen das. Die schaffen auch drei Sprachen, was wir hier oft sehen. Unserer Erfahrung nach müssen die Eltern wirklich ihre Muttersprache sprechen, damit es natürlich ist.

LE: Fällt es bei bilingualen Kindern schwerer eine Sprachstörung zu erkennen?

Hier betrachten wir Bilingualität als etwas Besonderes, aber in Wirklichkeit spricht fast die Hälfte der Weltbevölkerung mehrere Sprachen. Wenn hierzulande ein dreijähriges Kind noch nicht oder sehr wenig spricht, ist das Erste, was die Kinderärzte oder auch Sprachtherapeuten sagen: ’Hören Sie mit der Zweisprachigkeit auf! Das ist zu viel, einigen Sie sich auf eine Sprache.’ Aber das sehen wir nicht so. In Deutschland wurde Bilingualität bei Kindern über Jahre beobachtet. Und das Ergebnis war, dass die Zweisprachigkeit nicht schadet.

LE: Haben Sie auch eine Rückmeldung von Eltern bekommen, wie sich das Sprachvermögen der Kinder nach dem Kindergarten entwickelt hat?

Die Eltern bemühen sich die Bilingualität zu erhalten, sie haben Zeit und auch viel Geld investiert, damit die Kinder die Sprachen lernen. Entweder sind die Kinder auf deutschen Schulen, Schulen mit Deutschkursen oder es läuft über die Kontakte zu anderen Familien weiter.

LE: Gibt es Projekte, die Sie mit Partnern in Tschechien oder im Ausland haben?Kunstwerke der Kinder - Foto: Friederike Aschhoff

Also hier in Tschechien haben wir Kontakt zum Kindergarten Junikorn in Pilsen, die arbeiten auch deutsch-tschechisch. Und wir haben seit zwei Jahren deutsche Freiwillige im Kindergarten. Als internationales Projekt haben wir auch ein Programm mit Deutschland und Dänemark. Insgesamt kommen sechs Erzieherinnen aus Dänemark und Deutschland zu uns und sechs Erzieherinnen von uns werden nach Deutschland oder Dänemark geschickt.

LE: Würden Sie sich von der Politik Maßnahmen wünschen, die die Arbeit einfacher machen könnten?

Die Ausbildung der deutschen Erzieherinnen wird hier nicht anerkannt. Für die tschechischen Behörden sind sie hier mehr in der Position einer Sprachlektorin. Was zum Beispiel mit sich bringt, dass die deutschen Erzieherinnen nicht alleine mit den Kindern spazieren gehen dürfen. Wir sind auch verpflichtet etwas mehr Tschechisch anzubieten, denn es ist leider nicht anerkannt, den Unterricht fünfzig-fünfzig zu gestalten.

LE: Was planen Sie für die Zukunft?

Wir überlegen eine Art Grundschule aufzumachen. Vielleicht mit Homeschooling, das wissen wir noch nicht, aber das ist so unsere Idee für die nächsten zwei Jahre. Das würde uns schon richtig Spaß machen, die Kinder vielleicht noch in der Grundschule zu begleiten.

Das Gespräch führte Friederike Aschhoff


Diese Artikelserie widmet sich der bilingualen deutsch-tschechischen Erziehung. Der erste Teil war der Multilingualität gewidmet. In weiteren Folgen kommen Leiter und Schüler der Deutschen Schule Prag zu Wort und ebenso ein Erwachsener, der bilingual aufgewachsen ist.

Mehr Informationen zu deutsch-tschechischen Kindergärten und Schulen in Tschechien finden sich auf der Website des Goethe-Instituts Prag. Dort finden sich auch Lernmaterialien für das kindergerechte Deutschlernen.

Auf der Website „Frühe Mehrsprachigkeit an Kitas und Schulen“ kann man sich über multilinguale Angebote in Deutschland erkundigen.

Auf der Plattform isuu.com hat man kostenlosen Zugang zu der Zeitschrift „Krajánek“, die extra für tschechisch erzogene Kinder im Ausland erstellt wird.

Die Zeitschriften „vitamin de“ und „Freundschaft“ beschäftigen sich mit der Vermittlung der deutschen Sprache und auch das LandesEcho hat nun in seiner Druckausgabe eine Deutschlernseite.


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