Fotocollage: Zigarette in Aschenbecher mit Aufschrift "* 1586 - † 2017"

Schluss mit lustig für Europas letzte Raucherinsel. Genau fünf vor Zwölf war es am Freitagmittag, als das Prager Abgeordnetenhaus seine „Entscheidung des Jahres“ fällte: auch in Tschechiens Kneipen darf künftig nicht mehr geraucht werden. 

Fünf vor Zwölf also im wahrsten Wortsinne für die Anhänger des blauen Dunstes: Bis zum 30. Mai kommenden Jahres dürfen sie sich noch eine Zigarette zum Bier genehmigen. Am 31. Mai, passenderweise dem Weltnichtrauchertag, tritt das Verbot dann in Kraft. Wenn ihm der Senat und der kettenrauchende Präsident Miloš Zeman – wie versprochen – zustimmen.

Nahezu alle tschechischen Gesundheitsminister hatten sich um ein solches Gesetz bemüht. Doch alle waren damit erfolglos geblieben. Das lag stets auch daran, dass es mehr Raucher als Nichtraucher unter den Abgeordneten gab. In dieser Legislaturperiode ist das erstmals anders. Im Sommer noch war ein erster Versuch gescheitert, den Tschechen das Rauchen in ihrer Kneipe zu verbieten; jetzt ist es amtlich. 118 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, nur 23 dagegen, 22 enthielten sich der Stimme.

Zwar gab es in letzter Lesung am Freitag gefühlt noch mehrere Hundert Verschärfungs- oder Verwässerungsanträge für das Gesetz, über die über mehrere Stunden in quälender Prozedur abgestimmt werden musste. Alles live bei Facebook übertragen vom TV-Ereignissender ČT24 und im Durchschnitt von mehreren Hundert Zuschauern beobachtet. Aber der wichtigste Gegner des Gesetzes, der konservative Abgeordnete Marek Benda, fehlte bei der Sitzung aus „gesundheitlichen Gründen“ (Raucherhusten?). Er hatte im Sommer das Gesetz noch gekippt, als er eine Mehrheit für seinen Änderungsvorschlag fand, wonach in jeder Kneipe ein gesonderter Raum für die Raucher eingerichtet werden sollte. Am Freitag hatte dieser Antrag ohne den Antragsteller keine Chance mehr. 

Einige Abweichungen bleiben dennoch erlaubt. So darf auch künftig in Biergärten eine Zigarette angesteckt werden. In Teestuben darf man zudem weiter Wasserpfeifen genießen. 

Die Kneipiers macht das dennoch nicht durchgängig froh. Das wurde in den zahlreichen Kommentaren deutlich, von denen die Live-Übertragung auf Facebook begleitet wurde. Da war von einem „massiven Eingriff in die Gewerbefreiheit“ die Rede, von „drohenden Umsatzverlusten“ und einem letztlich „massiven Kneipensterben“. Immer auch mal mit dem Zusatz: „Und das ausgerechnet in unserem Kneipenland“.

Diese Befürchtungen sind für die meisten tschechischen Kneipengänger nachvollziehbar. Der Tscheche geht nicht in erster Linie wegen des Biers ins Wirtshaus, sondern weil er sich unterhalten will. Dazu gehört nach allgemeiner Meinung einfach eine Zigarette. „Wenn meine Gäste jetzt vor der Tür rauchen müssen, bleiben sie entweder ganz weg oder ich muss nach Feierabend auch noch die Kippen auflesen“, beklagten sich gleich mehrere Wirte.

Die sind eh schon gestraft, durch eine Anfang Dezember gestartete Aktion des Finanzministers: Sie müssen seither ihre Registrierkassen online mit dem Finanzamt verbinden, damit das den Umsatz kontrollieren kann. Etwa 1 000 Kneipiers, die Pilsner Bier ausschenken, haben danach sofort die Segel gestrichen.

Tschechien zählt etwa 30 000 Kneipen. Wie viele davon nach dem Rauchverbot dicht machen werden, ist noch offen. Doch das Land wird nach dem 31. Mai 2017 ein anderes sein, wenn eine über Jahrhunderte geliebte Passion einfach mal so untersagt sein wird. 

Doch gemach: In Tschechien raucht lediglich ein Viertel der Bevölkerung. Und selbst die Mehrheit der Raucher hat laut Umfragen ein gewisses Verständnis für das Gesetz. Und wer nicht, der raucht eben künftig zuhause zum Flaschenbier. Das ist vom Gesetzgeber nicht angetastet worden. Noch nicht.

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