Nach einer massiven Desinformationskampagne geht der linksnationale Ex-Premier Robert Fico siegreich aus den Parlamentswahlen hervor. Diese Rolle rückwärts der Slowakei hat Auswirkungen auf Europa und die Ukraine. Nicht zuletzt könnte Tschechien innerhalb der V4-Staaten bald alleine dastehen, meint unser Autor Tobias Eisch.

Die Wahlen in der Slowakei sorgten europaweit für Schlagzeilen. Die linksnationale Směr-SD von Ex-Premier Robert Fico, die nominell sozialdemokratisch und Teil der Sozialistischen Internationalen ist, gewann die Wahlen mit 23 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz landete mit 18 Prozent die “Progressive Slowakei” um Michal Šimečka. Die von der Směr-SD abgespaltene Partei Hlas kam auf 14,7 Prozent. Europas Presse sieht nun vor allem die militärische Unterstützung der Ukraine gefährdet, dieses Ergebnis wird aber auch Tschechien verändern.

Großes Interesse an den slowakischen Wahlen in Tschechien

In Tschechien war in den vergangenen Wochen an den slowakischen Wahlen kein Vorbeikommen. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekamen sie eine eigene Rubrik und die Berichterstattung kannte kaum andere Themen. Dies liegt nicht nur daran, dass die beiden Nationen bis 1992 einen gemeinsamen Staat bildeten. Denn auch wenn die beiden Länder in den letzten 30 Jahren teilweise sehr unterschiedliche Wege bestritten, fühlten sie sich stets tief verbunden und arbeiteten eng zusammen.

Doch es ist mehr als die gemeinsame Vergangenheit und Gegenwart, die dazu führte, dass die Wahl in der Slowakei zum Gegenstand tschechischer Talkshows, Meinungsbeiträge und Analysen wurde. Als einer der engsten Partner des Landes bestimmen slowakische Wahlen nicht nur indirekt Tschechiens Zukunft. 

Der Mafiastaat wurde zurückgewählt

Für einen Blick in die Zukunft schadet es allerdings nicht, einen Blick zurückzuwerfen. Woher kommt Robert Fico und welche Slowakei siegte damit bei den Wahlen? Fico machte sich in seiner Zeit als Politiker und Premierminister vor allem durch Korruption und Loyalität zu den Oligarchen des Landes einen Namen. Er war in die Gorilla-Affäre involviert, die ein System der Bestechung um die Privatisierung von Staatseigentum umfasste.

Das Ausmaß der Korruption und des oligarchischen Einflusses umfasste große Teile des Staates. Besonders deutlich wurde das an dem Auftragsmord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová im Februar 2018. Dieser legte die kriminellen Aktivitäten der Směr-SD offen und enthüllte ein verbrecherisches Netzwerk, das sich durch Betrug und Veruntreuung bereicherte und von der italienischen Mafiaorganisation “`Ndrangheta” bis zum Innenminister der Fico-Regierung reichte.

Die Öffentlichkeit ließ den Mord nicht unkommentiert. Nach Massendemonstrationen wurde die Partei 2018 abgewählt und damit auch der korporatistische Mafiastaat, wie die Politikwissenschaftler Leggewie und Karolewski Ficos Slowakei nennen. Die Bürgerrechtlerin Zuzana Čaputová wurde zum Anti-Mafia-Gesicht des Landes und gewann die Präsidentschaftswahlen.

Alles steht und fällt mit den Koalitionsverhandlungen 

Nun feiert die Směr-SD mit ihrem Wahlsieg die Rückkehr. Den Wahlkampf prägte Fico mit Desinformation, Hetze gegen die Präsidentin und prorussischen Parolen. Die größten Wahlversprechen waren ein Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine und ein unerbittlicher Kampf gegen Einwanderung. Er hatte der liberalen Slowakei den Kampf angesagt, seine Vorhaben und Reden erinnern an jene von Viktor Orbán.

Die Zukunft der Slowakei ist noch nicht entschieden. Fico stehen schwere Koalitionsverhandlungen bevor, Čaputová erteilte ihm den Auftrag zur Regierungsbildung. Diese führt nicht an der Hlas vorbei, einer sozialdemokratischen Abspaltung von Ficos Partei. Diese will Kiew bis zur letzten Patrone unterstützen und auch sonst gibt es zahlreiche Hürden, die einer Zusammenarbeit im Weg stehen. Die Koalitionsverhandlungen können also noch scheitern oder Ficos Pläne für die Slowakei zumindest entschärfen. Die Rückkehr des Mafiastaates ist also noch nicht entschieden, das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Fico beteuerte vor den Sondierungsgesprächen, dass sich die außenpolitische Ausrichtung der Slowakei nicht ändern werde. Da er im Wahlkampf allerdings ganz andere Töne anschlug, fällt es schwer, dem Glauben zu schenken. In ihrer Suche nach Partnern wird das Land wieder in die Richtung autoritärer Regierungen blicken und auch die Politik gegenüber der Ukraine wird sich ändern.

Um Tschechien wird es einsamer

Tschechien wird damit ein Stück einsamer in Mittel- und Osteuropa. „Machen Sie für das Treffen der Visegrád-Vier schon mal zwei Zweiertische klar“, kommentierte Jan Lipold auf dem tschechischen Nachrichtenportal Seznam Zprávy. Zwei für die Unterstützer der Ukraine, Polen und Tschechien, zwei für die eher prorussischen Staaten, Ungarn und nun auch die Slowakei. Doch auch die Zweiertische werden vielleicht nicht ausreichen.

Im tschechischen Präsidentschaftswahlkampf stellte der spätere Wahlsieger Petr Pavel das Viererbündnis bereits in Frage. Er betonte die unterschiedliche Haltung zu grundsätzlichen politischen Fragen und orientierte sich eher in Richtung der Slowakei als weniger autoritäres Mitglied der Visegrád-Staaten. Da diese Zeit nun vorüber sein könnte, stellt sich die Frage, ob Tschechien auf den V4-Tagungen nicht bald einen Einzeltisch benötigt – oder sich tatsächlich von den anderen dreien löst und weiter in Richtung Westen schreitet.

Blick in eine gefährliche Zukunft

Doch vor Entwicklungen ähnlich wie in der Slowakei ist auch Tschechien nicht gefeit. Prorussische Desinformation, eine schwächelnde Wirtschaft und die Verarmung der Bevölkerung führen auch in Tschechien zu Unmut über die aktuelle Regierung. Davon profitieren der Ex-Premier und Oligarch Andrej Babiš (ANO) und die rechtsextreme SPD. Die beiden rücken stetig näher und führten bereits Kooperationsgespräche. Nun befindet sich die Regierung zwar mitten in der Legislatur und bis zur Wahl geht noch einige Zeit ins Land, die Wahlen in der Slowakei sollten der tschechischen Politik allerdings eine Warnung sein.

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