Wer ist die deutsche Minderheit in Tschechien und wo trifft sie sich? Mit diesem Beitrag starten wir eine Serie, mit der wir Ihnen die Begegnungszentren (BGZ) der deutschen Minderheit vorstellen. Es geht los mit dem BGZ in Brünn, das seit 2008 von Hanna Zakhari geleitet wird.

„Allgemein sagt man, dass in Brünn ein Fünftel der Bewohner Deutsche waren. Das stimmt aber nicht ganz. Die Stadt Brünn war bis zum Ersten Weltkrieg eine österreichische Stadt, also deutschsprachig. Zu dem Fünftel kam es, als Brünn 1919 administrativ erweitert wurde. Der Stadtkern blieb aber deutschsprachig, dazu hat auch meine Familie gehört“, berichtet Hanna Zakhari, die 1946 in Brünn (Brno) geboren wurde und heute in Stuttgart lebt. Seit nunmehr 2008 leitet sie das BGZ der deutschen Minderheit in Brünn, der zweitgrößten Stadt Tschechiens. Lange Zeit war Brünn eine überwiegend deutschsprachige Stadt. Im 20. Jahrhundert nahmen aber zwischen der deutsch- und tschechischsprachigen Bevölkerung die Spannungen zu, die nach Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nazis schließlich eskalierten. Im Nachgang des Zweiten Weltkriegs wurde die deutschsprachige Bevölkerung aus Brünn vertrieben. Die gewaltsamen Ereignisse der Kriegs- und Nachkriegszeit, darunter vor allem der „Brünner Todesmarsch“, bei dem Ende Mai 1945 etwa 1700 Menschen ums Leben kamen, wurden erst nach 1989 aufgearbeitet. Jährlich erinnert der „Marsch der Versöhnung“, an dem sich auch das Brünner BGZ beteiligt, an das dunkle Kapitel der gemeinsamen deutsch-tschechischen Geschichte.Hanna Zakhari leitet das BGZ Brünn seit 2008. Foto: privat

Hanna Zakhari leitet das BGZ Brünn seit 2008. Foto: privat

Fester Bestandteil im kulturellen Leben der Stadt

Betrieben wird das BGZ, das sich seit 1997 in den Räumlichkeiten des ehemaligen Mietshauses „Terezka“ in der Nähe des Brünner Getreidemarkts, in der Jana Uhra 12 (früher Sturmgasse), befindet, vom Deutschen Kulturverein Region Brünn. Zu den laufenden Aktivitäten gehören u.a. regelmäßige Treffen der deutschen Minderheit, die Organisation kultureller Veranstaltungen und Begegnungen mit der an deutsch-tschechischen Beziehungen interessierten tschechischen Brünner Öffentlichkeit. Das BGZ verfolgt eine kontinuierliche, projektorientierte Zusammenarbeit mit Institutionen der Mehrheitsgesellschaft, wie dem Lehrstuhl für Germanistik der Masaryk-Universität (Masarykova univerzita), dem Mährischen Landesmuseum, der Mährischen Landesbibliothek und anderen. Die deutsche Minderheit in Brünn ist außerdem ein fester Bestandteil bedeutender kultureller Ereignisse in der mährischen Metropole. Zu den kulturellen Höhepunkten des Jahres gehört z. B. das traditionelle Babylonfest, eine Begegnung verschiedener Minderheiten und Kulturen, an der sich auch die Brünner deutsche Minderheit aktiv beteiligt. Vertreten ist der Deutsche Kulturverein in diesem Jahr ebenfalls auf dem im Juli und September stattfindenden Kulturfestival „Meeting Brno“, bei dem u.a. Zdeněk Mareček und Jan Budňák einen literarischen Spaziergang durch Brünn anbieten werden. Nicht zuletzt nimmt der Kulturverein auch eine bedeutende Rolle bei der Städtepartnerschaft zwischen Brünn und Stuttgart ein, die im letzten Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feierte.

Stolz auf Jugendarbeit

Wie auch an vielen weiteren BGZ ist ein wichtiger Pfeiler die Förderung der deutschen Sprache. Mit aktuell neun Sprachförderprojekten setzt sich das BGZ dafür ein, Kinder, Jugendliche und Studierende beim Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen. Für die ganz Kleinen gibt es den „Zwergerlkurs“, für Studienanfänger der Germanistik einen Deutsch-Intensivkurs und auch ein Debattierclub steht bei Studierenden hoch im Kurs.

„Es ist uns gelungen, Leute zu gewinnen, die einen guten Kontakt zu Schulen und zur Universität haben. Wir haben jedes Jahr so eine Art Sonderprojekt.  Zu einem bestimmten Thema findet dann ein Workshop statt. Es kommen Studenten, die aus ihren Diplomarbeiten vortragen und nachmittags laden wir eine besondere Persönlichkeit ein“, erzählt Hanna Zakhari stolz.Dr. Zdeněk Mareček ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Kulturvereins Region Brünn. Für seine Verdienste um die deutsch-tschechische Versöhnung ist er vor kurzem mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. Foto: privat

Dr. Zdeněk Mareček ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Kulturvereins Region Brünn. Für seine Verdienste um die deutsch-tschechische Versöhnung ist er vor kurzem mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. Foto: privat

Einen Anteil daran hat nicht zuletzt Zdeněk Mareček, der als Germanist an der Brünner Masaryk-Universität lehrt und auch im Deutschen Kulturverband Region Brünn aktiv ist – als dessen stellvertretender Vorsitzender. „Brünn sollte daran denken, dass es eine einmalige Stadt ist, wenn man sie als eine Stadt der Deutschen, Tschechen und Juden betrachtet. Wenn man sich so ein Konstrukt eines rein tschechischen Brünns zurechtzimmert, wie es vor dem November 1989 der Fall war, und hofft, damit ein Brünner Patriot zu sein, dann muss das mehr oder minder schief gehen. Auf deutsche Spuren stößt man hier auf Schritt und Tritt“, sagt er. Zdeněk Mareček (geb. 1956) – eigentlich gebürtiger Tscheche – kam schon in den 1980er Jahren mit der deutschen Minderheit Brünns in Berührung, damals noch durch den 1969 gegründeten Deutschen Kulturverband, der auch in Brünn aktiv sein durfte. „Im Jahr 2009 hat mich Frau Zakhari angesprochen, ob ich bereit wäre, intensiver mitzuarbeiten. Mich hat überzeugt, dass Frau Zakhari mit viel Opferbereitschaft und Energie Sachen anpackt und ich war dann bereit, für den Vorstand zu kandidieren“, erzählt Zdeněk Mareček, wie er zum BGZ gekommen ist. Dort betreut er unter anderem den Debattierclub und den Deutsch-Intensivkurs für Germanisten. Für seine Verdienste um die deutsch-tschechische Versöhnung ist Zdeněk Mareček vor kurzem mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden.


Neugierig geworden? Mehr über das BGZ und die deutsche Minderheit in Brünn erfahren Sie in der Broschüre „Begegnungen. Die deutsche Minderheit in Tschechien“. Die Broschüre liegt demnächst in den Begegnungszentren aus und kann auf Nachfrage unter redaktion@landesecho.cz als elektronische Version kostenlos erworben werden.

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