Der August lädt uns zu Wanderungen in den schönen und sagenhaften Böhmerwald ein. In ein Gebiet, wo viele Orte zwar nicht mehr existieren, die Sagen aber die Erinnerung an sie bewahren.

Der Weihizer

In Neukirchen (Nový Kostel) lebte vormals ein Wirt, der schenkte nur soweit ein, als er den Daumen in den Krug brachte, und sein Daumen war hübsch lang. Er wurde drum so reich, dass er nimmer wusste, was er mit seinem Geld anfangen sollte. Einmal sagte er zu seinem Knecht: „Girgel, wenn du mir vom Frühläuten bis zum Abendglöckel so viel Stroh schneidest, als ich Geld hab, so kriegst du zehn Gulden von mir. Sonst musst du mir zehn Gulden geben.“ Der Girgel schnitt den ganzen Tag Stroh und brachte einen gewaltigen Haufen Häcksel fertig. Aber der Wirt führte ihn abends zu seinem Geldhaufen, der war noch weit größer, man hätte den ganzen Böhmerwald dafür kaufen können. Da hatte der armselige Knecht seine zehn Gulden verspielt und der reiche Mann warf sie auf seinen großen, silbernen Geldberg.

Derselbe Wirt konnte zu gleicher Zeit an zwei verschiedenen Orten sein: Wenn sie das Heu einführten, war er auf der Wiese und zugleich in der Scheuer auch. Als er alt wurde, wollte er sein Gewissen zur Ruhe bringen, weil er den armen Leuten viel Schlechtes getan hatte. Drum ließ er eine Glocke gießen, und die war so breit, dass darunter leicht acht Paare hätten tanzen können. Hätte der Mann nur einen einzigen gerechten Heller bei dem Geld gehabt, das er für die Glocke hergegeben, so wäre ihm geholfen gewesen.

Nach seinem Hinscheiden litt es den Wirt nicht in der Grube, er musste zur Strafe weihizen und auf der Kellerstiege sitzen. Vor dem Engelläuten durfte er niemandem etwas antun; wenn man aber später im Keller Bier holte, da rann nichts aus dem Fass, des Wirtes Geist ritt darauf, den Geldbeutel in der Hand. Oft klagte das Vieh nachts in den Stallungen, und wenn die Knechte hinausrannten, fanden sie alle Türen offen und die Kühe biesten zitternd am Hof herum.

Einmal kehrte spät nachts ein reisender Pfarrer in das Wirtshaus ein, und weil ihm niemand mehr einen Krug Bier aus dem Keller holen wollte, stieg er selber hinunter und wollte das lästige Gespenst verbannen. Der Geistliche schlug drei Kreuze, aber das nutzte nichts, der Wirt hüpfte hurtig vom Fass herunter und schlug ihm den Geldbeutel aufs Hirn, dass er umfiel. Weil sie aber den Weihizer los sein wollten, schickten sie um den Bischof von Regensburg, und der verschaffte ihn in die wilde Schweiz.

Die erlöste Hand

Auf der Saueben (Myslivna) oberhalb des grauen Schlosses Bayreck (Pajrek) ist ein Wirtshaus. Vor langer Zeit, unser Herrgott war damals noch nicht so alt, hatten die Wirtsleute eine Magd, die schickten sie einmal in den Keller hinunter, sie soll Erdäpfel holen. Im Keller drunten aber hing eine Hand, die hielt einen Beutel, und eine Stimme wisperte allweil wieder: „Nimm´s, nimm´s!“ Die Dirn aber rannte davon, und die Knie zitterten ihr. Sie erzählte es ihrem Vater, der hatte im Dorf Dörrstein (Suchý Kámen) eine verfallene Hütte. Der Vater stieg mit ihr in den Keller hinunter. Dort sah die Dirn wieder die Hand und den Beutel drin und hörte die Stimme bitten: „Nimm´s, nimm´s!“ Der Vater aber merkte nichts, wie er auch mit der Kienleuchte herumfuchtelte. Die Magd packte schließlich den Beutel und nahm ihn zu sich. Da seufzte die Stimme auf: „Vergelt´s Gott!“ und die Hand war verschwunden. Der Beutel war voller schwedisches Gold, und die zwei kauften sich dafür in Österreich einen schönen Bauernhof.

Die Burg Bayereck in einer Zeichnung von Franz Alexander Heber aus dem 19. Jahrhundert. Foto: Wikimedia Commons/ gemeinfrei

Die Burg Bayereck in einer Zeichnung von Franz Alexander Heber aus dem 19. Jahrhundert. Foto: Wikimedia Commons/ gemeinfrei

Der Wunderbach

Beim Maushäusel (Myší domky) fällt ein flinker Bach in die Ohe (Otava). Hoch droben im Gebirge liegt ein Steg über dem Bach. Einmal ging eine Bäuerin mit einem Korb Eier über den Steg, die wollte sie am Markt freibieten. Da rutschte sie aus, und die schönen weißen Eier kugelten ins Wasser und schwammen in dem abschüssigen Bach davon. Schnurstracks lief das Weib ins Tal hinunter. Drunten wartete sie eine Weile, da trug der Bach ein blitzblankes Ei vom Berg herab, und hernach schwamm ein zweites daher und ein drittes und wieder eins, und so fing die Bäuerin nach und nach alle Eier wieder glücklich ein, und keines war zerbrochen. Seither heißt der gute Bach der Wunderbach.

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.