Ivo Schwarz auf der Fahrrad-Rikscha in Ostrau, Foto: Bohemia Troppau

Seit 2014 kann man im Ostrauer (Ostrava) Stadtzentrum ein für diese Breitengrade ungewöhnliches Verkehrsmittel entdecken: eine Fahrradrikscha. Die Lenkstange liegt in den Händen von Ivo Schwarz, einem begeisterten Elektrotechniker, geboren 1968 in Ostrau-Witkowitz (Vítkovice) und Angehöriger der deutschen Minderheit. „Man spürt an Kleinigkeiten im Alltag, dass man deutsche Wurzeln hat“, sagt er zu seiner Herkunft.

LE: Sie wollten ursprünglich mit einem Kredit der Bohemia Troppau ein Elektroauto aus Ungarn einzuführen. Wieso hat das nicht geklappt, Herr Schwarz?

Mit diesem Auto wollte ich Stadtrundfahrten in Ostrau anbieten. Die administrativen Hindernisse erlaubten die Einführung jedoch nicht. Obwohl der Betrieb in allen Nachbarländern erlaubt ist, ist dieses Auto bei uns nicht zugelassen. Es fehlte eine Ziffer in der Zulassung, die man zwar beim tschechischen TÜV nachträglich erhalten kann, die zuständige TÜV-Werkstatt hat uns jedoch nie geantwortet.

LE: 2014 haben Sie dann mit Hilfe der Bohemia Troppau eine Fahrradrikscha gekauft. Wozu benutzen Sie diese?

Ich arbeite schwerpunktmäßig als Elektriker, entweder als Arbeitnehmer oder als Gewerbetreibender. Nebenbei verdiene ich als Rikschafahrer etwas dazu. Ich fahre die Touristen durch das Stadtzentrum von Ostrau, meistens von Nieder-Witkowitz (Dolní Vítkovice) ins Bergbaumuseum Petershofen (Petřkovice) oder hoch auf die Ostrauer Burg.

LE: Was verbindet Sie mit der deutschen Minderheit?

Meine Vorfahren waren deutscher Herkunft. Mein Vater ist gebürtig aus Rohow (Rohov) im Hultschiner Ländchen (Hlučínsko). Mütterlicherseits stamme ich aus Wigstadtl (Vítkov). Die Verwandten und Nachbarn meiner Mutter wurden nach Fulda vertrieben. Zur Familiengeschichte gehört auch Unternehmergeist: Ein Onkel meiner Mutter namens Kutschker hat schon vor dem Zweiten Weltkrieg Spanplatten hergestellt und führte nach der Vertreibung die Produktion in Westdeutschland fort. Meine Großeltern hatten ihre deutsche Nationalität nie aufgegeben. Daher besitze auch ich noch den bundesdeutschen Reisepass.

LE: Nehmen Sie aktiv am Vereinsleben der Minderheit teil?

Ich bin in Hultschin noch unter der Vorsitzenden Maria Kubec in den dortigen Verein eingetreten. Heute bin ich Mitglied im Schlesisch-Deutschen Verein in Troppau (Opava). Ich bekomme die Informationen per E-Mail, da ich in Ostrau wohne.  Für unsere und die jüngere Generation ist es schwierig, in den Vereinen Gesprächspartner zu finden. Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder gehört der älteren Generation an.

Schwarz privat web

LE: Wie fühlen Sie sich als Nachkomme der Deutschen in Tschechien?

Ich glaube manchmal, dass ich in einem früheren Leben in Österreich gelebt habe. Auch als ich mich mit der Geschichte befasste, neigte ich dazu, diese aus deutscher Sicht zu betrachten. Im alltäglichen Leben sind es Kleinigkeiten, die einen daran erinnern, dass man deutsche Wurzeln hat. Zum Beispiel: Im Zug in Österreich meldet der Schaffner vor jeder Station, ob die Reisenden links oder rechts aussteigen sollen. Hier leider nicht. Auch wenn man in mancher Hinsicht anderer Meinung als die Tschechen ist, lebt man trotzdem hier mit der Mehrheitsgesellschaft und ist davon stark geprägt.

LE: Dachten Sie vor der Wende einmal an Flucht?

Lange vor der Wende war ich Sportler, Mitglied einer Läufergruppe. Zwei von ihnen sind geflüchtet. Zum endgültigen Entschluss zu fliehen war ich jedoch nicht mutig genug.

LE: Wie sieht Ihr Werdegang aus?

Mein Studienfach war Mechatronik. Ich arbeitete in den Witkowitzer Eisenwerken. 2010 bin ich wegen der Arbeit nach Deutschland gegangen. Dort arbeitete ich als Instandhalter der Heizkessel bei der Firma Buchfink in Schwandorf.

LE: Hätten Sie sich vorstellen können, in Deutschland zu bleiben?

Ich hatte dort Arbeit, aber keine Lebensgefährtin. Hätte ich eine gehabt, die mich dauerhaft begleitet hätte, wäre ich dort geblieben.

LE: Und wie sieht es mit Ihren Deutschkenntnissen aus?

Deutsch lernte ich drei Jahre lang während der Lehre und ich war insgesamt eineinhalb Jahre in Deutschland. Ohne Übung spreche ich aber nur mit Fehlern.

LE: Was bleibt Ihrer Meinung nach von dem deutschen Erbe?

Man muss realistisch sein: Wahrscheinlich fast nichts. Oder hat jemand eine Vision entwickelt oder gar umgesetzt?

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