Die Sirenen werden stets begleitet vom Blaulicht. Bild: Pixabay

Unsere Landesbloggerin Anna macht sich zum allerersten Mal auf den Weg in die Stadt. Die Gebäude erfreuen und die Geräusche der Stadt erschrecken sie.

Direkt nach dem Mittagessen mache ich mich auf den Weg. Ich nehme die Tramlinie 22, um in die Innenstadt zu gelangen. Die Fahrt soll etwa 30 Minuten dauern. Die Gegend, in der ich die Tram besteige, verrät noch kein bisschen darüber, was mich schließlich in der Prager Innenstadt erwarten wird. Bis auf das Fahrkartensystem, das für mich Neuland ist (das Ticket gilt für 30 Minuten… bin ich denn dann schon am Ziel?), gibt es keine weiteren Komplikationen und ich steige guten Gewissens in die Tram ein. Ich klebe die knappen 30 Minuten am Tramfenster, auf Veränderungen im Stadtbild ganz neugierig. Und tatsächlich: Die Gebäude werden größer, eindrucksvoller und glamouröser. In erster Linie aufgeregt, aber auch ein wenig eingeschüchtert von der Wucht Prags, verlasse ich die Tram und schlage zu Fuß eine neue Richtung ein.

Verträumt bin ich auf direktem Weg zur (mir bisher unbekannten) Karlsbrücke und schaue zu den beeindruckenden Bauten empor — bis plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm hinter mir erschallt. Ich zucke erschrocken zusammen und drehe mich erwartungsvoll um. Was könnte es sein? Ein Autoalarmanlage? Aber wer bricht denn um diese Uhrzeit, in einer Straße mit so vielen Zeugen ein Auto auf? Oder ist es vielleicht eine Sirene, die für die auf dem Feld Arbeitenden das Mittagessen zu Hause ankündigt? Mitten in der Stadt? Fast schon überzeugt, den Auslöser des unbestimmten lautstarken Tons nicht zu entdecken, blicke ich für den Bruchteil einer Sekunde nichts Geringeres als einen Krankenwagen an. Und schon ist er an mir vorbei. Wenige Momente schaue ich dem Wagen noch verdutzt hinterher, bis er in eine Seitenstraße einbiegt und diese aufwühlende Szenerie wieder vorbei ist. Während ich den meisten Einheimischen und Touristen noch im Weg stehe, wird mir klar, dass ich wohl die Einzige war, die einen simplen Einsatzwagen für aufwühlend empfindet. Aber diese amerikanisch klingende Sirene war ein komplett neuer Ton für mich. In der Fußgängerzone angelangt, habe ich nun die Chance, die Karlsbrücke nur mit vereinzeltem, entfernten Sirenengeräusch bewundern zu dürfen.

Das Sirenen-Einmaleins

Ein tschechischer Krankenwagen. Foto: Pixabay

Ein tschechischer Krankenwagen. Bild: Pixabay

Meine Erkundungstour ist noch lange nicht vorbei. Nicht wenig später schlendere ich direkt an der Moldau, am Masaryk-Ufer, entlang. Die Stadt hat nicht nur architektonisch einiges zu bieten, denke ich, nein, mitten in der Stadt liegt auch noch ein Naturerholungsgebiet! Immer mehr von der Schönheit Prags überzeugt (warum auch sonst ist Prag kürzlich zur schönsten Stadt der Welt gewählt worden), werde ich schon wieder aus meinen Gedanken gerissen. Auf der anderen Straßenseite kommt mir ein schwarzes Auto entgegen, aus dessen Fenster sich waghalsig ein Mann beugt. Innerhalb von wenigen Augenblicken und mit gekonnten Handgriffen befestigt er ein blaues Warnlicht auf dem Dach, das direkt anfängt zu leuchten und (wer hätte es gedacht…) die Sirene geht wieder los! Der schwarze Wagen entpuppt sich also als ein ziviles Polizeiauto. Wenigstens bin ich jetzt vorgewarnt. Zu meiner Überraschung tritt aber ein verschiedenartiger Ton ein, als ich ihn hier bisher vernommen habe. Natürlich immer noch unüberhörbar, allerdings wird dieser zeitweiße abgelöst von rhythmischen Brummen. Bei meinem ersten Zusammentreffen mit der Prager Sirene noch total schockiert von dem Lärm, bin ich jetzt ein wenig amüsiert, wie das Zivilpolizeiauto fast schon eine Melodie ertönen lässt. Nachdem der Verkehr Platz gemacht hat, ist auch dieser Wagen in wenigen Sekunden hinter der nächsten Kreuzung verschwunden und lässt mich mit einer neuen Erkenntnis zurück: Die tschechischen Sirenen unterscheiden sich also untereinander fast genauso sehr wie die tschechische von der deutschen insgesamt.

Ich schmunzle darüber, wie schnell man sich doch an ein neues Umfeld gewöhnt. Den gröbsten (Sirenen-)Kulturschock habe ich auf alle Fälle schon überwunden!


 Anna Treutlein. Foto: privat

Dobrý den aus der schönsten Stadt der Welt! Ich bin Anna Treutlein und darf bis Ende des Jahres als Praktikantin direkt aus der Prager LandesEcho-Redaktion mitarbeiten. Da ich selbst Wurzeln aus einer deutschen Minderheit habe, bin ich hier perfekt aufgehoben. Ich freue mich schon sehr auf die vielen neuen Eindrücke und Erlebnisse, die ich in meiner Zeit hier sammeln darf. Die tschechische Sprache blieb mir bisher noch vorenthalten, aber jetzt ergreife ich meine Chance und bin davon überzeugt, mir auch diese Sprache ein wenig aneignen zu können. Im Anschluss an das Praktikum werde ich in Wien ein Studium der Politikwissenschaften beginnen… und dort zweifellos von meiner Zeit in Prag schwärmen, denn das tue ich jetzt schon!

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.