Die Mautbrücken haben ausgedient. Ab Dezember startet in Tschechien ein neues Maut-System, Foto: Tschechisches Verkehrsministerium

Ausgerechnet in der Adventszeit müssen Autofahrer mit kilometerlangen Staus an den Grenzen zu Tschechien rechnen. Grund ist ein neues Maut-System und dessen verspätete Einführung.

Kilometerlange Schlangen an der Grenze nach Tschechien. Glaubt man dem tschechischen Verkehrsministerium, droht dieses Szenario Anfang nächster Woche an allen Grenzübergängen für LKW. Grund ist die Einführung eines neuen Satelliten gestützten Straßenmaut-Systems in unserem Nachbarland. Alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen müssen sich deshalb registrieren und mit einer neuen Bordeinheit ausstatten. Allerdings ist bisher nur ein kleiner Teil der deutschen Spediteure dieser Aufforderung nachgekommen. „Aus Deutschland fehlen noch immer drei Viertel der insgesamt 28.000 Fahrzeuge. Das betrifft vor allem kleine Speditionen“, sagt Miroslav Beneš, Sprecher des neuen Maut-Betreibers Czech Toll. Nicht besser ist die Situation in Tschechien und anderen Ländern. Laut Beneš sind immer noch über 200.000 Fahrzeuge nicht registriert.

Das Problem ist, dass ab 1. Dezember die bisherigen Bordeinheiten nicht mehr funktionieren. Ohne neue Bordeinheit ist die Fahrt auf mautpflichtigen Straßen aber verboten und es drohen hohe Strafen. Beneš erwartet deshalb, dass die Spediteure ihre LKW erst bei der Einfahrt nach Tschechien registrieren. Das ist an den Grenzübergängen möglich, wo sich Autofahrer schon heute mit einer Bordeinheit versorgen können.

„Wir haben unsere Anwesenheit dort noch einmal verstärkt. Auch mobile Teams sind im Einsatz. Doch wir fürchten, dass es trotzdem zu langen Wartezeiten führen wird“, sagt Beneš. Während am Sonntag noch LKW-Fahrverbot herrscht, werden sich ab Montag die Sattelschlepper wie zu Zeiten der Grenzkontrollen kilometerweit zurück nach Deutschland reihen. Als besonders risikoreich sind die Übergänge Breitenau/Schönwald (Krásný Les) mit bis zu fünf Kilometer Stau sowie Schirnding/Mühlbach (Pomezí nad Ohří) und Waidhaus/Roßhaupt (Rozvadov). An der Grenze zu Polen und der Slowakei könnten es sogar bis zu 12 Kilometer werden. Zwar ist geplant, PKWs und bereits registrierte LKWs an der Schlange vorbeizuleiten. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten, zumal im Advent traditionell verstärkt tschechische Besucher Richtung Deutschland unterwegs sind.

„Wir haben keine extra Maßnahmen vorbereitet, werden aber wenn nötig reagieren“, sagt ein Sprecher der Bundespolizei. Mehr Zeit sollten Autofahrer auf jeden Fall einplanen. Czech Toll rät sogar, die Autobahnübergänge Anfang der Woche ganz zu meiden. Bis Mitte der Woche sollte sich der Verkehr wieder beruhigen.

So weit hätte es aber nicht kommen brauchen, wie Věra Kovářová meint. Die stellvertretende Chefin der oppositionellen STAN-Partei kritisiert den späten Start der Registrierungsphase. Die begann erst im September. Grund waren Ungereimtheiten bei der Ausschreibung des neuen Maut-Betreibers. Die unterlegene Kapsch, die noch bis Samstag das bisherige System betreibt, hatte gegen die Auswahl Widerspruch eingelegt und das tschechische Wettbewerbsamt hatte ihr auch Recht gegeben. Nun muss das Höchste Gericht entscheiden. Trotzdem wurde mit Czech Toll ein 10-Jahresvertrag unterzeichnet. „Diese Unsicherheit hat ebenfalls dazu beigetragen, dass sich viele Speditionen noch nicht gemeldet haben“, sagt Kovářová. Aus ihrer Sicht verläuft die Einführung der neuen Maut unprofessionell und schadet so dem Ruf des Wirtschaftsstandorts Tschechien.

Kritik kommt auch aus Deutschland. „Die Ummeldung hat viel zu kurzfristig vor dem heißen Start begonnen und die Informationen flossen nur spärlich“, sagt Tim Zumpe, Vorstand der Straßenverkehrs-Genossenschaft (SVG) Sachsen-Thüringen, den der Anmelderückstau deshalb nicht wundert. „Die Leidtragenden sind letztendlich die Speditionen.“ Gerade für kleinere Speditionen sei der Boxentausch im laufenden Betrieb eine merkliche Belastung. Die neuen Boxen müssen bestellt und eine Kaution gezahlt werden und die alten Boxen müssen zurück. Dazu kommt, dass das System sehr strikt ist. Fährt die Spedition mal ein Jahr nicht nach Tschechien, wird die Box automatisch abgemeldet. „Die Spedition muss sich also neu anmelden und die Kaution ist dann futsch“, sagt Zumpe. Er plädiert für die Übernahme des EETS-Systems, das in vielen Ländern vor allem West- und Südeuropas bereits funktioniert. Spediteure brauchen dann für alle Länder nur eine Box.

„Die gute Nachricht ist, dass Tschechien auf die Einführung von EETS vorbereitet ist“, sagt Czech-Toll-Sprecher Miroslav Beneš. Allerdings gebe es zur Zeit keinen Fahrplan, wann Tschechien dem System beitreten könnte. Beneš empfiehlt den Speditionen, noch jetzt die Zeit zu nutzen, und sich an den über 210 Verkaufsstellen mit einer neuen Bordeinheit auszustatten. Bei den Verkaufsstellen handelt es sich überwiegend um Tankstellen. „Derzeit gibt es noch keine Staus“, sagt Beneš und fügt hinzu: „Die Registrierung ist kostenlos. Pro Bordeinheit ist eine Kaution in Höhe von 2.468 Kronen fällig.“ Das entspricht rund 100 Euro. Auch der Versand per Post nach Deutschland ist möglich. Da Eile geboten ist, bietet Czech Toll an, die Versandgebühren zu übernehmen. Die verstärkte Präsenz am Grenzübergang Breitenau wird zudem bis Ende Januar aufrecht erhalten. Denn es ist davon auszugehen, dass sich viele Speditionen erst nach und nach mit der neuen Box ausstatten.

Zu lange sollte man allerdings nicht warten. Das neue System ermöglicht nämlich, die Maut flexibel nicht nur auf neue Autobahnabschnitte, sondern zunehmend auch auf Fernstraßen auszudehnen, was mit dem bisherigen Mikrowellensystem nur unter großem Aufwand zu machen war. Schon ab Neujahr sind 20 neue Fernstraßen-Abschnitte mit einer Gesamtlänge von über 860 Kilometer kostenpflichtig.

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