Bundeswirtschaftsminister Roberrt Habeck und sein tschechischer Amtskollege Jozef Síkela. Foto: ČTK/Vondrouš Roman

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und sein tschechischer Amtskollege Jozef Síkela warnten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Prag vor Schreckensszenarien im Falle, dass Russland die Gaslieferungen über Nordstream 1 komplett einstellt. Am Montag unterzeichneten beide Minister eine Erklärung zur gegenseitigen Solidarität bei eventuellem Gasmangel.

Am Montagmorgen stellte Russland die Gaslieferungen über Nordstream 1 im Rahmen von routinemäßigen Wartungsarbeiten ein. Der deutsche Minister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) warnte vor einem Albtraum-Szenario, nach dem Russland nach den planmäßig zehn Tagen der Wartung die Lieferung nicht wieder aufnimmt. Sein tschechischer Kollege Jozef Síkela (STAN) pflichtete ihm bei, wenn es um Putin gehe, müsse man mit dem Schlimmsten rechnen.

Europäische Solidarität und deutsch-tschechische Kooperation bei Gasmangel

Der Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela (STAN) berief eine außerordentliche Sitzung des EU-Energierates ein, um über die drohende Stilllegung der Pipeline durch Russland zu sprechen. „Russland nutzt Energie als Waffe, um Europa zu spalten und seine Unterstützung für die Ukraine zu untergraben. Wir müssen auf eine weitere Eskalation dieses Energiekrieges vorbereitet sein“, so Síkela.

Am Montag besuchte Habeck als erster Minister der Ampelregierung Prag. Im Zuge der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft besprachen sich Habeck und Síkela zum Thema der Energiesicherheit. Dieses hatte die tschechische Regierung als eine ihrer Hauptaufgaben im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft gesetzt. Die beiden Minister sicherten sich eine engere Kooperation bei Energielieferungen zu und unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung zur gegenseitigen Solidarität bei eventuellem Gasmangel.

Sollten die Gaslieferungen auch nach den Wartungsarbeiten ausbleiben, kündigten die beiden Minister ein koordiniertes gemeinsames Vorgehen zur Sicherstellung der Gasversorgung an. „Putin will den sozialen Frieden in Europa stören und die westliche Unterstützung für die Ukraine untergraben. Die Zusammenarbeit mit Deutschland wird daher entscheidend sein“, so Síkela. Russland hatte bereits zuvor unter Bezug auf vermeintliche technische Mängel die Gaslieferungen reduziert. Habeck warnte davor, dass dies auch nach den Wartungsarbeiten als Grund für ein Ende der Lieferung vorgeschoben werden könnte.

Tschechiens Wirtschaftsministerium glaubt an weitere Lieferungen aus Russland

Heute früh ließ das tschechische Industrieministerium laut dem Nachrichtenserver seznam zprávy noch vermelden, dass man weiter mit den vereinbarten Lieferungen nach den Wartungsarbeiten rechne und keinen Grund zur Beunruhigung sehe. Diese Einschätzung hat das Ministerium nun in Teilen geändert.

In Bezug auf die Verlässlichkeit russischer Energielieferungen, bzw. was die Verlässlichkeit des russischen Präsidenten betrifft, sagte Minister Síkulka im Rahmen der Pressekonferenz mit Habeck: „Ich denke, wir müssen bei einer Person, die die ganze Zeit lügt, mit dem Schlimmsten rechnen. Obwohl wir der Meinung sind, dass dies immer noch nur eine technische Wartung ist, müssen wir uns auf andere Umstände einstellen. Wenn die Gaspipeline Nord Stream 1 nicht in Betrieb gehen würde, müssten wir bei Haushalten und Industrie zu einem Sparregime greifen.“

In einem Interview mit dem tschechischen Nachrichtenserver irozhlas warnte Síkela bei einer Einstellung von Gaslieferungen vor Konsequenzen für die gesamte Bevölkerung. „Wir hätten dann sicher keinen angenehmen Herbst und Winter, weil wir den Gasverbrauch drastisch regulieren müssten“, erklärte er. Um die Schlüsselindustrie am Laufen zu halten, müsse man die Bevölkerung dann im Bezug auf den privaten Energieverbrauch zu „Bescheidenheit“ anregen.

Aktuelle Gasreserven reichen bis Mitte November

Die aktuellen Reserven in Tschechien sollen bis Mitte November den normalen Gasverbrauch decken. Für alternative Lieferungen meldete die Tschechische Republik laut Síkela Kapazitäten aus LNG-Terminals in den Niederlanden an. Diese würden voraussichtlich ab September oder Oktober in Betrieb genommen. Über diese Terminals könnte dann Flüssiggas über den Hochseehafen angeliefert, in Gas umgewandelt und über Pipelines nach Tschechien gebracht werden.

Man habe eine Kapazität von drei Milliarden Kubikmeter angemietet, um noch in diesem Jahr flüssiges Erdgas importieren zu können, so der tschechische Minister. Zugleich arbeitet das Ministerium gerade ein Unterstützungspaket aus, das Haushalte in der Finanzierung der gestiegenen Gas- und Stromkosten helfen soll. Es soll bis zu 27 Milliarden Kronen (1,1 Milliarden Euro) umfassen.

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