LandesEcho-Autorin Anna Käsche hat sich in die Bücherwelt gestürzt und berichtet nun täglich live von der Leipziger Buchmesse.

Der AHOJ-Dampfer hat auf der Leipziger Buchmesse angelegt. Hübsch ist er geworden, aber viel zu klein. Zur Eröffnung des tschechischen Nationalstandes tummeln sich die Menschen um den bunten Bau. Die ersten zwei Reihen hören noch gut, weiter fliegen vor allem Wortfetzen durch die Halle. Ins Kinderforum des Gastlandes passen gerade einmal sechs Stühle. Das ist schade.

Zumal: Vor genau 14 Jahren war Tschechien schon einmal Gastland. Laut Kulturminister Antonín Stanek habe die Kenntnis der tschechischen Literatur in Deutschland seitdem leider wieder abgenommen: „Dies möchten wir ändern.“ Diesmal, so hoffen er und Buchmesse-Chef Oliver Zille, soll das Interesse auch über die Messe hinaus weiter anhalten.

Auch bei den weiteren Diskussionsrunden und Lesungen, zum Beispiel mit Radka Denemarková („Körper von Frauen sind Körper zweiter Klasse“) oder Jáchym Topol, lässt der Besucherandrang nicht nach. Jeder bemüht sich, ein paar der feierlichen Worte zu erhaschen.

Landeskunde-Grundkurs: Wie kam der Seemannsgruß nach Tschechien?

Wer die Ohren spitzt, erfährt beispielsweise, dass „Ahoj“ auch für „Ad honorem Jesu“ steht. Das überrascht, wenn man bedenkt, dass Tschechien laut unterschiedlichen Studien das atheistischste Land Europas ist.

Aber: Im 1939 von Deutschland besetzten Tschechien, dem Reichsprotektorat Böhmen und Mähren, stand „ahoj für die Parole „Adolfa Hitlera oběsíme jistě“ – „Klar, wir hängen Adolf Hitler“. Unter den Kommunisten galt es ab dem Kirchenkampf von 1950 als Abkürzung für die Trostformel „Jesus schützt auch die Sündigen“ oder „Jesus zur Ehre“.

Der direkte Zusammenhang mit dem Seemannsgruß „Ahoi“ ist im Falle des Binnenlandes Tschechien auch nicht sonderlich plausibel – auch wenn Böhmen für Shakespeare am Meer liegt. Allerdings sollen die Pfadfindervereinigungen Anfang des 20. Jahrhunderts diesen Seemannsgruß mit der Popularisierung des Kanufahrens eingeführt haben.

Kein Buchpreis für Gastlandvertreter

Jaroslav Rudišs „Winterbergs letzte Reise“ ist bei der Vergabe des Leipziger Buchpreises leider leer ausgegangen, dafür wurden Anke Stelling in der Kategorie Belletristik für „Schäfchen im Trockenen“, Harald Jähner für sein Sachbuch „Wolfszeit“ über die ersten Nachkriegsjahrzehnte ausgezeichnet. Die russisch-amerikanische Autorin und Journalistin Mascha Gessen erhielt den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für ihr Porträt der russischen Gesellschaft in „Die Zukunft ist Geschichte“. In der Kategorie Übersetzung geht der Preis der Leipziger Buchmesse an Eva Ruth Wemme für ihre Übertragung des Romans „Verlorener Morgen“ von Gabriela Adameşteanu aus dem Rumänischen.

Bier, Wein und Trabi

Wer dem Stand des diesjährigen Buchmesse-Gastlandes Tschechien dennoch treu blieb, wurde am Ende des Tages mit Bier und Wein belohnt. Statt „Bücher statt Bier“ gab es Bier zu den Büchern. Die Abendsonne verleiht der Messe eine ganz andere Atmosphäre.

Auch der Trabi auf Beinen, eine Kopie der berühmten David-Černý-Skulptur im Garten der Deutschen Botschaft in Prag, genießt seit langem wieder einmal Tageslicht. Bis vor Kurzem befand er sich noch in den Sammlungen des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig.

Als ich auf dem Nachhauseweg „Messeburger“ statt „Merseburger Hof“ lese und mich wundere, dass nun sogar Hotels nach der Buchmesse umbenannt werden, bin ich mir sicher, dass ich für heute genug habe. Aber ich habe auch noch gehört, es gebe auf der Buchmesse einen richtigen Biergarten… Nun, das werde ich noch erkunden!


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