Das zeigt das erste tschechische Filmmuseum NaFilM!, das kürzlich in Prag eröffnet wurde.

Einst trat hier die weltberühmte tschechische Operndiva Ema Destinnová auf. Zwischen den beiden Weltkriegen spielte am gleichen Ort das legendäre D34-Th eater E. F. Burians. Dann war hier ein Fitness-Studio untergebracht. Seit Mitte Januar hat das historische Gebäude „Mozarteum“, das der bekannte tschechische Architekt Jan Kotěra mitten in Prag 1911-1913 baute, endlich wieder eine kulturelle Bedeutung. Seitdem befindet sich hier das erste Filmmusem Tschechiens. Sein Name NaFilM ist die Abkürzung für Národní filmové muzeum und zugleich ein Wortspiel, das im Deutschen so viel wie „in den Film (gehen)“ bedeutet.

Filme selbst erforschen

Sobald man den Eingang durch den malerischen Franziskaner-Garten betritt, der sich zwischen Wenzelsplatz (Václavské náměstí) und der Jungmann- Straße (Jungmannova) befindet, taucht man in eine Filmküche ein. Denn das interaktive Museum enthüllt auf spielerische Weise zahlreiche Geheimnisse der Filmbranche, so dass hier jeder Filmliebhaber auf amüsante und unterhaltsame Weise selbst entdecken kann, wie sich die Kinematographie im Laufe der Zeit bis zur Gegenwart entwickelte.

Die erfrischend unkonventionelle Ausstellung setzt sich aus vierzehn thematischen Abteilungen zusammen, die als kleine, abgetrennte Nischen konzipiert sind. Als erstes kommt man ins Purkino, wo eine Entdeckung von Jan Evangelista Purkyně (1787-1869) vorgestellt wird, die in der Entwicklung des Filmes eine wesentliche Rolle spielte. Im Labor der beweglichen Bilder werden Purkyněs Experimente vorgestellt, die der tschechische Wissenschaftler und Philosoph mit dem menschlichen Sehvermögen unternahm. Er stellte fest, dass alles, was wir sehen, und sogar das, was unser Auge nicht imstande wahrzunehmen ist, in unserem Bewusstsein in Gedächtnisspuren gespeichert bleibt. Diese Eigenschaft führt er auf unser Innenauge zurück, das er als Teil unseres Bewusstseins mit eigener Phantasie und Gedächtnis verstanden hat. Dank dieses Mechanismus kann man schnell laufende Bilder zusammenfügen. Purkyně spricht von einem stroboskopischen Eff ekt, d.h. von einem raschen Wechsel von Licht und Dunkel. Vonder Wirkung des Purkyně-Prinzips und seiner Anwendung in der Kinematographie kann man sich direkt hier an mehreren Exponaten, selbst überzeugen. Und nicht nur das: Man kann Purkyně sogar anrufen!

Foto: Tomas Hejzlar/NaFilm!

Im Bereich der Laterna Magika kann jeder Besucher zum Filmvorführer werden. Im Raum steht ein klassisches 35-Millimeter-Projektionsgerät, das mit mehreren Metern eines farbigen Zelluloids ausgestattet ist. Um die jeweiligen Bilder in Bewegung zu setzen, reicht es nur, seine Kurbel schnell zu drehen. Das Prinzip der Laterna Magika wurde bereits im 17. Jahrhundert bekannt, als die Jesuiten beim Unterricht statische Bilder auf Glastäfelchen auf Wand projizierten.

Später hat man die Laterna Magika auch für die öffentliche Vorführung sogenannter Phantasmagorien genutzt, bei denen monströse Gestalten entstanden. Erst in den 1880er Jahren wurde das Prinzip der Laterna Magika derart verbessert, dass sie auch kurze Animationen projizieren konnte. Etwa zehn Jahre später wurde schließlich der Kinematograph entdeckt.

Anfänge der virtuellen Realität

Besonders attraktiv ist ohne Zweifel die Abteilung über die virtuelle Realität. Mit Hilfe einer 3D-Brille taucht man in einen zeitgenössischen Unterhaltungspark ein, wo man mittels einer Zugfahrt eine atemberaubende Reise durch unbekannte Länder und Landschaften antreten kann. Genauso wie einst die Besucher der legendären „Hale‘s Tours of the World, die ihre Premiere 1904 auf der Weltausstellung in Saint Louis hatten. Dort wurde bereits die virtuelle Realität geboren. Verblüffend wirkt auch ein weiteres „Ausstellungsexponat“: Es ist ein Hologramm des populären tschechischen Fernsehsprechers Ondřej Hemala, der zeitgenössische Stummfilme mit Kommentaren begleitet. Wer erfahren möchte, wie Filme heute vertont werden, kann sich in dem Geräusche-Studio kräftig austoben.

Foto: NaFilm!

Im Untergeschoss geht es weiter mit der poetischen Welt von Jaroslav Seifert, Jiří Voskovec und Vítězslav Nezval, die mit ihren poetischen Gedichten ein Phantasiekino im Kopf hervorrufen. Da sich die Vorstellungen der Dichter jedoch als zu kompliziert für eine Filmaufnahme erwies, hielten sie ihre reiche Phantasiewelt nur auf dem Papier fest. Eine gewisse Vorstellung der Poetisten über die menschliche Seele bringt uns jedoch ein beweglicher Express, der durch eine Landschaft mit Zirkusbuden, Artisten, Luftballons oder Windmühlen rast. Sein Tempo und die Lichteffekte kann jeder Besucher selbst bestimmen.

Gleich daneben in einem kleinen Saal hinter einem Vorhang befindet sich ein klassisches Lichtspielhaus (Biograf), wo man sich in einem typischen hölzernen Reihenklappstuhl niederlassen und einen alten schwarzweißen Film anschauen kann. Kaum zu glauben, dass es auch ohne Cola und Popcorn geht.

Im Gang hängen an den Wänden Illustrationen, die verschiedene Animationstechniken präsentieren. In einem weiteren, moderneren Kino laufen farbige Zeichentrickfilme. Ein Animationsstudio gibt die Möglichkeit, einen eigenen Film von einem Sportler zusammenzustellen, der sich in einer Turnhalle betätigt. Das Ergebnis kann man anschließend mit nach Hause nehmen.


Museum „NaFilM!

Die Idee zu dem Museum hatten drei Studenten der Filmwissenschaft an der Prager Karlsuniversität. Ihre Ideen und selbsthergestellten Exponate stellten Adéla Mrázová, Terezie Křížkovská und Jakub Jiřiště zuerst im Montanelli-Museum in Prag vor. Vorübergehend kamen sie im ehemaligen Palais Chicago auf der Národní třída unter. Erst nach drei Jahren gelang es, passende Räume und Mittel für ihr Unternehmen zu finden. Die nötigen Mittel für eine umfassende Sanierung wurden über die Crowdfounding-Plattform Hithit.cz eingesammelt. Unterstützt wurden sie auch von bekannten tschechischen Filmemachern wie Jiří Menzel, Jan Hřebejk, Olga Sommerová und Helena Třeštíková. Für ihre außergewöhnliche Leistung bekam das NaFilM-Projekt den in Tschechien prestigeträchtigen Miloslav-Petrusek-Preis.

Mehr auf www.nafilm.org


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