Diesmal begibt sich unsere Wanderbloggerin auf die Spuren von Goethe und trifft dabei auf gefährliche Dschungeltiere.

 

Um mir eine Strecke für eine Wandertour auszusuchen, studiere ich in der Regel einfach die Landkarte von Tschechien und suche nach interessanten Namen und Gegenden. Dann schaue ich mir das Wegenetz und die Verkehrsverbindung an und los geht’s. So auch diesmal, denn mir sprang ein Name ins Auge: Goethes Aussichtspunkt. Und gleich daneben: Wolfsberg. Schon wieder Wölfe! Angeblich soll sich Goethe dort für die Geologie der Umgebung interessiert haben.Aussicht von Goethová vyhlídka - Foto: Jana Heenen

Diese beiden Orte liegen bei Oschelin (Ošelín) zwischen Mies (Stříbro) und Tachau (Tachov), einem Fleckchen Erde, wo man nur selten auf Touristen trifft. Mit dem Zug fuhr ich nach Oschelin – und ich war die einzige, die dort ausstieg.

Der Anstieg auf den Wolfsberg begann schon bald, er führte durch einen dichten Dschungel. Ich hörte die Vögel kreischen und meinen eigenen Atem. Mein Herz klopfte schneller, als sich der Wald lichtete und sich die Kuppe des Wolfsbergs vor mir auftat. Noch waren keine Wölfe zu sehen. Diesmal hatte ich wieder Futter für sie mitgebracht – mein Mittagessen reichte für mindestens vier Personen.

Auf der Kuppe sitzt ein kleines Wäldchen und in ihm zwei Aussichtspunkte: der Gipfel des Wolfsbergs (704 m) und gleich daneben Goethes Aussichtspunkt. Bei ersterem ließen sich zum Glück keine Wölfe blicken, beim zweiten war auch kein Goethe zu entdecken. Ich setzte mich hin und nahm mein Mittagessen zu mir. Die Landschaft breitete sich vor mir aus und ich wartete, ob Goethe doch noch vorbeikommen würde.

Verdutzt bemerkte ich die leeren Bierdosen in der Feuerstelle nebenan und ein paar Zigarettenkippen auf dem Boden. Mir war nicht bekannt, dass Goethe Bier trinkt und raucht. Ich wartete noch etwas, aber Goethe erschien nicht und so zog ich weiter. Auf meiner Landkarte sah ich, dass das nächste Dorf Triebl (Třebel) nicht weit entfernt war. Vielleicht war Goethe dorthin gegangen, um sich ein Bier zu kaufen?Die Anakonda - Foto: Jana Heenen

Doch im Dorf angekommen, stellte ich fest, dass es das verlassenste aller verlassenen Dörfer war und selbst die Häuser guckten mich fragend an, was ich denn hier zu suchen hatte.

Mit eiligen Schritten ging ich hinab ins Tal, wo sich der Kosí potok, der auf Deutsch auch Amselbach heißt, seinen Weg sucht. Und wenn ich nun gedacht hatte, dass die größten Abenteuer hinter mir lagen, so war das nicht der Fall. Der Dschungel war hier noch dichter als auf dem Wolfsberg, ich schlug mich durch Schilf und Springkraut und traf dann unerwartet auf die größte Anakonda, die ich je gesehen hatte! Ich schaffte es noch, ein Foto zu machen und rannte dann schnell weiter, immer am Wasser entlang. Am Wegesrand sah ich Totempfähle und bekam eine Gänsehaut.

Erst bei Oschelin, am Ufer des Flusses Mies (Mže), kam ich keuchend aus dem Dschungel heraus und eilte auf direktem Weg zum Bahnhof. Dort gab es sogar Menschen, sie fuhren mit mir zurück nach Pilsen.

Ungläubig blickte ich aus dem Fenster zurück in den Wald, wo ich gewandert war. Ich dachte an Goethe und was er wohl darüber geschrieben hätte. Es könnte so etwas Ähnliches gewesen sein:

Ošelín

Weit entfernt von Mensch und Stadt

Liegt ein Dschungel grün und satt.

Nimm den Zug bis Ošelín,

Und geh hinauf zum Goethe hin.

Bring aber was zu Essen mit,

Da es dort wohl Wölfe gibt.

Gib auch auf die Anakonda Acht,

Da sie dort am Ufer wacht!

 

Streckendaten:

Startpunkt: Bahnhof Ošelín

Distanz: 15 km

Höhenmeter: 367 m

Laufzeit: 5 h

Wegpunkte: Nade Záhořím, Pod Vlčí horou, Vlčí hora, Goethova vyhlídka, Třebel, Osada Kosí potok

Anreise: mit dem Zug aus Pilsen

 


Wanderbloggerin Jana Heenen - Foto: Archiv Jana HeenenWanderBloggerin JANA HEENEN:

Das Leben ist eine Reise, auch für mich. Mein Name ist Jana, ich komme aus der Nähe von Krefeld in Westdeutschland und arbeite seit einiger Zeit in Pilsen (Plzeň) für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch. Um Tschechien und seine Landschaft(en) kennenzulernen, begebe ich mich so oft wie möglich auf Wandertouren, beobachte die Natur, fotografiere, notiere und bewerte die Ausflugsziele. Gern ziehe ich mit anderen Naturfreunden los, um von ihnen zu lernen und mich mit ihnen über das Leben zu unterhalten. Wenn man geht, dann kann man besser nachdenken und kommt zu neuen Ideen! Ich möchte Sie nun gern daran teilhaben lassen und stelle dafür regelmäßig meine Wanderungen vor.

Sie sind herzlich eingeladen, Vorschläge zu machen, was es in Tschechien noch zu entdecken gibt! Diese können Sie gern an redaktion@landesecho.cz senden. Ich freue mich!


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