„Es gibt keinen anderen Weg als die Kernenergie“, urteilte der tschechische Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček vor kurzem. Anfang Juli hat die Regierung den nächsten Schritt in Richtung des Ausbaus der Kernenergie gemacht und ein Investitionsmodell für geplante neue Reaktoren beschlossen. Das Vorgehen stößt jedoch nicht überall auf positive Reaktionen.

 

Mit dem Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 haben sich die EU-Staaten dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent zu senken. Dieses Klimaziel gilt auch für die Tschechische Republik, die noch laut österreichischem Umweltbundesamt 2015 fast die Hälfte ihres Bedarfs mit der emissionsreichen Kohleenergie deckte. Um dem Ziel der Emissionsreduktion nachzukommen, soll nun die vermeintlich saubere Kernenergie den überwiegenden Teil der bisher aus Kohle gewonnenen Energie ersetzen.

Erst vor wenigen Tagen hat die tschechische Regierung daher ein Investitionsmodell beschlossen, welches den Ausbau der Atomenergie im Land betrifft. Das staatliche Energiekonzept der Republik sieht vor, bis 2040 den Anteil der Kernenergie in der Stromerzeugung auf 49 bis 58 Prozent zu erhöhen. Geplant ist, zunächst das ältere Atomkraftwerk Dukovany in der Nähe der österreichischen Grenze auszubauen. Der Staat soll dem Energiekonzern ČEZ, der neben diesem auch das andere tschechische AKW Temelín unterhält, dabei helfen, günstige Kredite für den Bau der neuen Reaktoren zu erhalten.

Vermeintliche AlternativlosigkeitProteste der energiepolitischen Art erlebt die ČEZ-Zentrale in Prag immer wieder - Foto: Tomáš Randýsek

Industrie- und Handelsminister Havlíček bezeichnete dem tschechischen Fernsehen gegenüber den Ausbau der Atomkraft in Tschechien als alternativlos. Aus seiner Sicht sei es unmöglich, den Energiebedarf des Landes mit erneuerbaren Energien zu decken, wenn dieses aus der Kohle aussteigen will. Im Vergleich zu Deutschland sei ein solcher Umstieg in Tschechien nicht möglich, die Quellen für erneuerbare Energien nicht mit denen der Bundesrepublik vergleichbar. Er behauptete zudem, Deutschland sei mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet und könne sich die Investitionen in alternative Energien leisten.

Im Gegensatz zu Tschechien streben die Nachbarstaaten Deutschland und Österreich den Ausbau erneuerbarer Energien an und stehen den Geschehnissen in Tschechien dementsprechend kritisch gegenüber. Zudem liegen beide tschechischen Kernkraftwerke nur 35 bis 60 Kilometer von der österreichischen beziehungsweise deutschen Grenze entfernt. Österreich sieht besonders in der Nähe des Kraftwerks Dukovany eine Bedrohung seiner Sicherheit. Bereits vor zwei Jahren, als man eine Laufzeitverlängerung des AKWs auf tschechischer Seite beschloss, gab es Proteste: Das Sicherheitskonzept des Kraftwerks sei veraltet und zudem hätte es bereits mehrere Zwischenfälle gegeben.

Auch zur gegenwärtigen Angelegenheit äußert sich die ehemalige österreichische Umweltministerin Elisabeth Köstinger laut Süddeutscher Zeitung gegenüber der Deutschen Presse-Agentur kritisch. Sie bezeichnet es als gänzlich falschen Weg, unter dem Deckmantel des Klimawandels die Atomkraft wieder auszubauen. Ähnlich urteilen deutsche Stimmen. Laut der Vorsitzenden des Umweltausschusses im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, sei die „Sackgasse Atomkraft“ längst nicht der einzige Weg und der Ausbau erneuerbarer Energien sogar günstiger als der Neubau eines Kernkraftwerks.

Von dem Plan, die Atomenergie im Land auszubauen, wird die Tschechische Republik aber trotz der ablehnenden Haltung der Nachbarstaaten so schnell nicht abweichen. Auf diese Entscheidung folgt jedoch in den nächsten Jahren eine weitere Herausforderung – die Suche nach einem geeigneten Endlager für den tschechischen Atommüll.


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