Tschechiens Premier Petr Fiala vor dem EU-Parlament. Foto: ČTK/imago stock&people/IMAGO/ELYXANDRO CEGARRA
Tschechiens Premier Petr Fiala vor dem EU-Parlament. Foto: ČTK/imago stock&people/IMAGO/ELYXANDRO CEGARRA

Premier Petr Fiala (ODS) hielt am Mittwoch seine erste Rede im Zuge der tschechischen Ratspräsidentschaft vor dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament. Er rief dazu auf, die aktuelle Krise gemeinsam zu lösen, Geschlossenheit gegenüber Russland zu demonstrieren und die Verbrennung bestimmter fossiler Energieträger als sauber zu definieren.

Am 1. Juli übernahm die Tschechische Republik turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft. Mittwoch trat Premier Fiala das erste Mal mit einer Ansprache vor den Rat und die Parlamentsabgeordneten der EU. Er betonte die Bedeutung europäischer Werte und Solidarität vor dem Hintergrund der russischen Invasion und bat das Europäische Parlament, in ihrer Abstimmung am Nachmittag Erdgas und Atomkraft als grüne Energien umzudefinieren.

Europäische Geschlossenheit in der Bewältigung der Kriegsfolgen

„Unsere Werte sind nicht selbstverständlich. Sie müssen jeden Tag verteidigt werden“, erklärte Fiala in seiner Rede. Darin lobte er die schnelle und geschlossene Reaktion der EU auf die Invasion der Ukraine durch Russland. Er bezog sich zudem auf das Motto der tschechischen Ratspräsidentschaft „Europa als Aufgabe“ unter Bezug auf eine Rede des ehemaligen Präsidenten Václav Havel. Die aktuell wichtigste Aufgabe Europas sieht Fiala darin, einen Konsens zwischen den Mitgliedsstaaten zu finden, um die Auswirkungen des Krieges abzumildern.

„Zusätzlich zum konventionellen Krieg führt Russland auch einen hybriden Krieg. Es verursacht bewusst eine Flüchtlingswelle, setzt Energierohstoffe als Waffe ein und verursacht mit gezielten Angriffen auf die Infrastruktur eine Ernährungskrise“, so Tschechiens Premier. Die aktuelle Hauptaufgabe seiner Ratspräsidentschaft bestehe darin, die negativen Auswirkungen des Krieges auf die Bürger der EU so weit wie möglich abzumildern, erklärte Fiala.

Für Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, kommt die Ratspräsidentschaft Tschechiens genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie erinnerte an den Widerstand gegen die sowjetische Invasion nach dem Prager Frühling und verglich ihn mit dem Widerstand der Ukrainer. „Deshalb kann ich mir kaum ein Land vorstellen, das besser für die EU-Ratspräsidentschaft geeignet wäre als Tschechien“, so von der Leyen. Kritik an Fialas Rede kam von den Europaabgeordneten der tschechischen Kommunisten (KSČM) und ANO, die sich mehr Nachdruck bei den aktuellen sozialen Problemen in Europa gewünscht hätten.

Fialas Appell an das Europäische Parlament zur Lösung der Energiekrise

Zudem versuchte Fiala in seiner Rede direkten Einfluss auf eine Abstimmung im Europäischen Parlament zu nehmen, die wenige Stunden später auf der Tagesordnung stand. Er warb dafür, Atomkraft und Erdgas als saubere Energiequellen zu definieren, um die aktuelle Energiekrise zu bekämpfen. Tschechien setzt bei seiner Energieversorgung voll auf den Ausbau der Atomkraft. Mit diesem neuen Label werden bestimmte fossile Energieträger nun in der sogenannten Taxonomie als grün betrachtet und damit durch die EU gefördert. Das Europäische Parlament folgte dem Anliegen Fialas und bestätigte in seiner Abstimmung die neue Kategorisierung von Gas und Atomkraft.

Die Verbrennung von Erdgas setzt klimaschädliche Gase wie Kohlendioxid und Methan frei, die Definition dieser Ressource als grün wird allerdings damit begründet, dass hier weniger Gase als bei der Verbrennung von Kohle ausgestoßen würden. Das Mittel der Taxonomie wurde eingeführt, um nachhaltige Energien durch finanzielle Anreize zu stärken, nun fallen auch Erdgas und Atomkraft darunter.

Ein Schritt, den auch die tschechischen Oppositionsparteien in der EU unterstützen. Fünf Europaabgeordnete der Oppositionspartei ANO stimmten für die Unterstützung der neuen Taxonomie. Die Kommunistische Partei KSČM freute sich ebenfalls über das Abstimmungsergebnis und forderte einen schnellen Ausbau der tschechischen Atomkraftwerke für eine wettbewerbsfähige Industrie. Kritik daran gab es bereits im Vorfeld von der tschechischen Umweltschutz-Organisation Hnutí DUHA. Diese warnte davor, dass durch die vorübergehende Bezeichnung klimaschädlicher Energieträger als sauber die falschen Anreize gesetzt würden und die Taxonomie an Bedeutung verliere.

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