Unser Landesblogger Jannik hat die engste Gasse von Prag einmal genauer erforscht. Platzangst darf man dort nicht haben.

Die Gasse ist nicht nur in ihrer Steigung eine Herausforderung. Die durchschnittliche Länge eines Neugeborenen beträgt ungefähr 50 Zentimeter. Auch ein durchschnittlicher Kühlschrank ist in etwa so breit. Ein halber Meter ist nicht sonderlich lang, er dient mehr als Maßeinheit für alltägliche Dinge. Und doch steht diese Länge in einem besonderen Zusammenhang mit der tschechischen Hauptstadt Prag. Auf der Kleinseite, ganz in der Nähe der Karlsbrücke, befindet sich nämlich die engste Gasse der Stadt. Sie misst an der engsten Stelle nur genannte 50 Zentimeter und stellt eine der wohl größten Kuriositäten in ganz Prag dar. Hier heißt es Luft anhalten, Bauch einziehen und durchspazieren. Auch landesweit gilt sie als die schmalste Straße, im europäischen Vergleich muss sie sich lediglich der Klancic-Gasse in Vrbnik (Kroatien) geschlagen geben.

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Die Gasse ist nicht nur in ihrer Steigung eine Herausforderung. Foto: Jannik Marthe

Ein Traumhafter Ausblick kommt selten allein

Die Prager Gasse ist an sich sehr unauffällig und besitzt auch keinen Namen. Dennoch ist sie Teil jedes einigermaßen bekannten Reiseführers und ein beliebter Touristenhotspot. Besonders an den Wochenenden ist der schmale Gang überlaufen von Digitalkameras und Selfiestöcken. Laut Erzählungen soll auch schon so manch korpulentere Person stecken geblieben sein, welche von der Feuerwehr geborgen werden musste.

Die rund 25 Meter lange Gasse führt von der Straße „U Lužickěho semináře“ hinunter zu dem Eingang des Restaurants Čertovka. Von hier kann man wunderbar die Karlsbrücke und die Altstadt bestaunen, bei schönem Wetter sogar noch das ehemalige Arbeiterviertel Žižkov dahinter. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude des Restaurants stammt aus dem 16. Jahrhundert und war einst eine Schmiede, welche sich auf die Reparatur von Mühlrädern spezialisiert hatte. Altertümliche Wandlampen beleuchten die Gasse auch nachts, wodurch sie rund um die Uhr besichtigt werden kann.

Neue Technik in alter Gasse

Einzigartig ist die Gasse jedoch nicht nur wegen der ungewöhnlichen Breite. Um Zusammenstöße zu vermeiden, hat die Stadt am Ein- und Ausgang Fußgängerampeln installiert, ganz nach pragmatisch tschechischer Art. Diese regeln den Fußgängerverkehr und beugen größeren Kollisionen vor. Wer die ausgetretenen Steinstufen betreten möchte, muss erst auf das grüne Ampelmännchen warten, welches man per Druck auf den Ampelknopf unter der Ampel anfordern kann. Die Ampeln mussten wegen der strengen Sicherheitsvorschriften in Tschechien installiert werden. Nun gilt die Gasse dank seltsamen Prager Gesetzen offiziell als Notausgang.

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Hier darf man keine Platzangst haben… Foto: Jannik Marthe

Eine sinnvolle Lücke

Jedem professionellen Bauingenieur läuft es bei dem Anblick der Gasse womöglich kalt den Rücken herunter, hätte man die Häuser einfach verbinden und Material sparen können. Doch früher war solch ein enger Spalt zwischen den Häusern überlebenswichtig. Vor hunderten Jahren ließen die Prager Bauherren zwischen allen Häusern eine Lücke frei, damit Feuer nicht direkt von einem Haus zum anderen überspringen konnte. Dieser schmale Gang ist somit die letzte verbliebende originale Feuergasse in der Hauptstadt.

Prag ist eine Weltstadt. Eine Weltstadt mit Prunk (Nationalmuseum), riesigen Plätzen, die eigentlich Straßen sind (Wenzelsplatz), und der berühmtesten Gasse Europas (Goldenes Gässchen). Doch auf den zweiten, dritten, vierten Blick zeigen viele Unscheinbarkeiten die kleine, versteckte Seite der Stadt, mit all ihren Kuriositäten. Wie auch die engste Gasse von Prag, welche durch eine einzigartige Historie und bizarren Sicherheitsvorschriften zu einem Unikat des Landes geworden ist. Der schmalste Gang der Stadt ist auf jeden Fall einen Besuch wert und eine hervorragende Möglichkeit, das Luft anhalten zu üben.


Jannik Marthe webHallo an alle Leserinnen und Leser,

ich bin Jannik und werde von Mai bis Juli die Landesecho-Redaktion unterstützen. Schon bei der Fahrt nach Prag war ich von der tschechischen Landschaft und der traumhaften Hauptstadt Prag begeistert. Ich freue mich sehr, hier die nächsten drei Monate verbringen zu dürfen. Ich bin sehr gespannt auf die kulturelle Vielfalt in diesem Land und hoffe, einiges lernen zu können, insbesondere in Bezug auf die deutsche Minderheit. Ich liebe es außerdem, spontane Eindrücke und Impressionen zu erhalten, welche mich hoffentlich auf dieser kulturellen Reise durch Tschechien begleiten werden.

Ich studiere Journalismus in Magdeburg und arbeite für das LandesEcho im Rahmen meines Studiums. Ansonsten interessiere ich mich für alles, was mit Politik und Gesellschaft zu tun hat, und beschäftige mich viel mit Sport und Fotografie. Das LandeEcho ist dabei die perfekte Möglichkeit, meine Interessen in journalistische Formate umzuwandeln.

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