Im Rahmen eines Kulturabends im Sächsischen Verbindungsbüro in Prag fand am Donnerstag, den 13.10.2022, eine Autorenlesung mit dem sächsischen Stipendiaten des Prager Literaturhauses, Michael G. Fritz, statt. In der anschließenden Diskussion mit David Stecher, dem Leiter des Literaturhauses, standen vor allem Fritz‘ Eindrücke von Prag im Vordergrund.

Der Kulturabend im Verbindungsbüro wurde durch eine Lesung von Fritz sowie mit einer Ausstellung der Arbeiten von Studentinnen und Studenten der Akademie der Bildenden Künste Prag (AVU) und der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK) eröffnet. Das junge Josef-Suk-Quartett umrahmte die Veranstaltung mit stimmungsvoller Musik.

Ein bisschen wie Gott

Der Schriftsteller rezitierte im Saal des Verbindungsbüros des Freistaates Sachsen das erste Kapitel aus seinem Roman „Ein bisschen wie Gott“ – ein dystopisches Nachweltbuch über staatliche Überwachung im öffentlichen Raum. Fritz selbst wurde 1953 in Ost-Berlin geboren und wuchs im DDR-System auf. Er studierte an der Bergakademie Freiberg Tiefbohrtechnik, wurde jedoch 1975 aus politischen Gründen exmatrikuliert. Daraufhin arbeitete er als Lagerarbeiter und übte ab 1976 verschiedene Tätigkeiten in den Städtischen Bibliotheken Dresdens aus. 1993 wurde er rehabilitiert; es folgte die Anerkennung seines Diploms durch die Bergakademie Freiberg. Heute ist er verheiratet, hat zwei Kinder und lebt als Schriftsteller in Dresden und Berlin.

Das Publikum lauschte gebannt der Erzählung des Autors über die Protagonistin Johanna, die bei ihrer Arbeit an den Bildschirmen der Überwachungskameras eines Berliner Bahnhofs ihren Mann André beobachtet, der eine fremde Frau küsst. Johanna glaubt, durch den Anblick endgültig verrückt zu werden – wie ihre Großmutter.

In der anschließenden Diskussion mit dem Leiter des Prager Literaturhauses, David Stecher, ging es zwar auch um das Werk des Schriftstellers, in erster Linie interessierte das Publikum aber Fritz‘ Zeit als Stipendiat in Prag.

Das junge Josef-Suk-Quartett umrahmte die Veranstaltung mit stimmungsvoller Musik. Foto: Magdalena Moser.

Das junge Josef-Suk-Quartett umrahmte die Veranstaltung mit stimmungsvoller Musik. Foto: Magdalena Moser.

Intensiver Alltag in Prag

Fritz beschrieb seine Zeit in Prag als Stipendiat des Prager Literaturhauses als „besonders intensiv“; vor allem war er schriftstellerisch produktiv. Denn hier sei es ihm möglich gewesen – ganz ohne Ablenkung des Alltags in seiner Heimat – zu schreiben. So verfolgte er stets den gleichen Tagesablauf: Vormittags sei Fritz auf Exkursion gewesen, um die Stadt zu erkunden. Mittags habe er zuhause gegessen und sich danach an den Schreibtisch gesetzt, um an seinen Texten zu schreiben. Abends sei er gewöhnlich auf die Kinderinsel (Dětský ostrov) gegangen und habe in einer Bar Bier getrunken und Rockmusik gehört. Danach habe er ab halb zehn Uhr abends wieder am Schreibtisch gesessen und bis nachts um halb zwei geschrieben. Darüber hinaus genoss Fritz die kulturellen Seiten Prags und sei daher auch gerne im Nationaltheater oder in der Staatsoper (dem ehemaligen deutschen Theater) gewesen.

„Prag ist ein Stück Heimat“

Der Autor schwärmte während der Diskussionsrunde und danach beim gemütlichen Beisammensein nur so von Prag. Wie er sich fühlte, als er heute Mittag wieder in eine der Trams einstieg? Es war „ein bisschen wie Nachhausekommen“. Prag sei für Fritz ein Stück Heimat und gehöre nach langer Zeit immer noch zu ihm. Er sei als junger Mann schon einmal in Prag gewesen, seitdem allerdings nicht mehr oft. Nun habe er die Orte wiedergefunden, die er als Teenager und junger Mann entdeckt hätte. Dabei habe er sich an das, was er damals erlebt habe, erinnert und festgestellt, dass alles doch ganz anders sei als damals vor 55 Jahren.

Doch was bleibt Fritz nach seiner Zeit in Prag am meisten in Erinnerung? Am meisten geprägt habe Fritz das Haus am Moldau-Ufer, in dem er zwei Monate wohnen durfte. Das Jugendstil-Haus habe ihn vom ersten Tag an fasziniert. Allein der Blick aus dem Fenster sei fantastisch: Man sieht die Schwäne auf der Moldau und den Laurenzi-Berg (Petřín) mit seinem „Eiffelturm“ – ein eindrucksvolles Panorama.

Inspirationen aus der Hauptstadt

Die neuen Impulse aus der Hauptstadt will der Autor in seine neuen Werke integrieren. Unter anderem schrieb er kleine Prosastücke über Prag und Böhmen, die Teil seines nächsten Buches werden. Dieses möchte er in ein bis zwei Jahren veröffentlichen. Die Prosastücke behandeln dabei Dinge, die er in Prag erfahren hat. Doch welche Dinge das waren, blieben für das Publikum ein Geheimnis.

Zudem entsteht gerade ein neuer Roman, der die Orte der Begegnungen zwischen Ost und West thematisiert. Prag solle dabei ein wichtiger Schauplatz sein. Denn die tschechische Hauptstadt sei zu Zeiten des Sozialismus ein Treffpunkt zwischen Ost und West gewesen, so erzählt Fritz. Aus diesem Grund finde sein geplanter Roman auch in Prag seinen Höhepunkt.

Die Schauplätze in Fritz‘ Werken sind immer Orte, die wichtig für seine eigene Biografie sind. So ist es nicht verwunderlich, dass Berlin und Dresden oft eine besondere Rolle in seinen Werken spielen. Prag gehöre dabei zu seinen Neuentdeckungen. „Ich freue mich, diesen Ort gefunden zu haben“, sprach er mit einem Lächeln auf den Lippen zum Publikum im vollen Saal des Verbindungsbüros.

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